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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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ein kluger Mann, das habe er (der Jude) sogleich gesehen; auch mit den früheren Sergeanten von der Administration habe er immer gute Geschäfte gemacht. Nur mit dem letzten nicht. Der sei ehrlich gewesen. Er spuckte über den Dachrand. Das Geschäft sei so einfach. Er liefere die Schafe, bon. Die Schafe würden gewogen. Nun, wenn ein Schaf, man nehme an, elf Kilo wiege, so schreibe der Korporal dreizehn auf. Hehe. Das mache bei zweihundert Schafen 400 Kilo mehr. Verstanden? Der Korporal unterschreibe den Zettel, den er, der Jehudi, in Bou-Denib einkassieren gehe. Ein Überschuß von 400 Kilo ergebe 400 Franken und diese Summe werde geteilt zwischen dem Korporal der Administration und ihm, dem Jehudi. Ob der Korporal einverstanden sei?
    Ja, Lös war einverstanden. Der Jude hatte Dattelschnaps aufgestellt, ein scharfes Zeug, das er aus unerfindlichen Gründen Anisette nannte. Die Hälfte des Geldes also und eine Flasche Anisette. Der Jude nickte eifrig und wollte Lös' Hand küssen. Er tat sehr untertänig und ging, um die Flasche aufzufüllen, die Lös mitnehmen sollte. Als er wiederkam, brachte er noch Datteln mit, große Datteln aus dem Tafilalet, lang wie der kleine Finger, hellgelb und durchsichtig, süß wie Honig. Ein kleines Leinensäckchen wurde mit diesen Früchten gefüllt und Lös zum Abschied überreicht. Also, morgen werde er bestimmt kommen, die Herde sei beisammen, er brauche sie nur zu holen. Lös wurde noch gebeten, den einjährigen Knaben des Juden zu besehen. Das Kind lag in einem dunklen Zimmer, in dem außer der Wiege noch eine europäische Spiegelkommode aus den achtziger Jahren stand. Lös tat, als verstehe er sich auf Krankheiten, griff nach dem Puls, zog die vereiterten Augenlider in die Höhe. Die unförmig dicke Mutter, die daneben hockte und aussah, als käme sie geradewegs aus Galizien, wagte kaum zu atmen in Erwartung des Urteils. Es sei keine schwere Krankheit, sagte Lös, man solle das Kind baden (es war wirklich schmutzig und stank), und er werde später noch einmal kommen und etwas bringen, um die Augen zu waschen. Lös war von seinem Edelmut befriedigt. Das Kopfweh hatte nachgelassen. Es verschwand ganz, als er in der Dunkelheit in den Posten zurückkehrte, und ein Gefühl des Befreitseins blieb zurück.
    Und dieses Gefühl wollte er nicht sogleich einbüßen. Er verlangte von der Wache am Tor (Veitl war es diesmal), ihn später noch einmal hinauszulassen. Ein Liter Wein oder eine halbe Flasche Schnaps stehe zur Verfügung.
    Der Leutnant war noch immer nicht zurückgekommen. Vor dem Tor der Verwaltung saß der alte Kainz mit angezogenen Knien und saugte an einer Pfeife.
    »Wos is, Korporal, gehst die Nacht wieder fort, oder willst hier schlafen?« Er kaute an den Worten und zugleich am Mundstück seiner Pfeife.
    Lös wich aus. Er wußte es noch nicht. Zeno wartete wohl auf ihn, er aber hatte keine Lust, sie zu sehen. Vielleicht brachte er ihr nur Unglück. Das Stechen über dem linken Auge setzte wieder ein.
    Aber der alte Kainz ließ ihm zum Grübeln keine Zeit.
    »Komm, Korporal, geh her, setz di zu mir, wannst Zeit hast. Weißt mir kan Rat, um auf Reform zu gehen? Du bist doch so g'scheit, das weiß i.«
    Lös setzte sich. Der Mond war noch nicht aufgegangen.
    »Also, was glaubst, Korporal, was soll ich machen?« Unwillkürlich sprach der alte Kainz leise.
    Lös wandte sich ihm zu. Er hob die Oberlippe des anderen so, wie man es bei Pferden tut, um ihr Alter an den Zähnen festzustellen, sah den leeren Oberkiefer und gab ernsthaft den Rat: »Für die Reform reicht's nicht aus, aber du kannst ja verlangen, nach Fez zu gehen, um dir ein Gebiß machen zu lassen.«
    »Also, kloar«, sagte der alte Kainz und rückte nach vorn, um Lös besser ins Gesicht sehen zu können. »Ich hab's ja immer g'sagt, dumm is der Korporal net. A bisserl ung'schickt vielleicht.« Er schwieg kurz. »Wenn man so denkt, wie froh ma g'wesen is, wie sie einen g'nommen ham. Ma hat's ja kaum erwarten können, bis es g'heißen hat: I bin tauglich. Ich sag dir, g'hungert hab i! Und bei den Franzosen dann: gleich a guats Essen. Wurst und Brot. Immer noch hat ma Angst g'habt, wie sie einem schon g'nommen ham, es gibt no a Contrevisite, und ma wird wieder zruckg'schickt, weil sie g'funden ham, ma is zu alt und taugt nix mehr. Und dann bedauert ma die anderen, wo net mitkommen san. Aber i bin net amol vier Monat in Belabbés g'wesen, da hab i ›Merde‹ g'sagt, weil's das erste Wort is, das ma lernt. Weißt, a

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