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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Schnapsverbrauch! Die fehlenden Liter im Nu eingebracht! Doppelte Ration Wein! Schon füllten sich die geleerten Fässer mit Wasser, niemand würde den Unterschied merken, und die Seguia, der kleine Kanal, floß ja mitten durch die Verpflegung. Zu alledem noch: Der Leutnant würde die Verpflegung melden, hatte er nicht schreckliche Angst vor Krankheit? Typhus! Welch ein Glücksfall!
    Begeistert übernahm der Sergeant die Fortsetzung der Hymne. Typhus! Erfrischende Hoffnung. Es könnte doch auch ihn packen, nicht allzu stark, aber genug, um eine Rekonvaleszenz in Frankreich nötig zu machen. Mit einem kleinen netten Typhus, das Wort tönte in seinem Munde wie ein bacchantisches Evoc, würde er sicher zwei Monate früher entlassen!
    Da ließ auch der alte Kainz sein gesprungenes Lachen scheppern und platzte zitternd los: »Korporal, dann brauch i ja kan kan… den… dentier.«
    »Ah, so an Typhus«, sagte Frank mit tiefer Stimme. Seine Hände lagen gefaltet auf der Decke. »Aber sterben brauch ich doch net?«
    »Ja, woher!« meinte Lös. Er nahm die Schnapsflasche, sog daran, gab sie weiter, Baguelin nahm seinen Teil, der alte Kainz lutschte am Flaschenhals wie ein Säugling, alle fanden den Typhus komisch, selbst Frank grinste.
    »Ich werde jetzt den Major in Rich anläuten«, beschloß Lös. Die anderen waren viel zu begeistert, um abzuraten.
    Das Telephon lag links vom Tor, gerade dem Wachtlokal gegenüber. Baguelin drehte die schmierige Kurbel und wartete, drehte noch einmal… Endlich fragte eine verschlafene Stimme, was denn los sei. Baguelin gab den Hörer weiter. Lös ergriff ihn und redete in den schmierigen Trichter.
    Major Bergeret solle ans Telephon kommen, verlangte er… Der Sergeant sah auf seine Uhr und bemerkte, es sei ja kaum zehn Uhr, da würde der Major schon noch auf sein. Aber der Telephonist in Rich wollte wissen, wer denn telephoniere. Nur ein Korporal? Man sei wohl in Gourrama verrückt geworden. In der Nacht sei der Major nicht zu sprechen. Lös wurde energisch. Es handle sich um einen schweren Fall, vielleicht sei es Typhus, der Major müsse unbedingt benachrichtigt werden. Brummend ergab sich der andere, und nach kaum fünf Minuten tönte des Arztes sanfte Stimme, kaum gedämpft durch die Entfernung. Hallo? Lös stotterte, meldete sich zuerst nicht korrekt, so daß der Major zweimal, mit immer gleichbleibender Geduld, nach dem Namen des Anrufenden fragen mußte. Er wunderte sich, daß nur ein Korporal am Telephon sei, versprach dann aber, gleich am nächsten Morgen um vier Uhr loszureiten. Er werde etwa um acht Uhr in Gourrama sein. Und dem Korporal ginge es gut? wollte Bergeret noch wissen, habe der Korporal nicht einen kleinen Herzfehler? Lös dankte, ja, er fühle sich ganz wohl, seit er nicht mehr marschieren müsse. Der Major wünschte gute Nacht und hängte an.
    Lös war sehr zufrieden. Es war günstig, daß der Major sich seiner noch erinnerte. Denn eigentlich hatte es Lös dem Major Bergeret zu verdanken, daß er in die Verpflegung gekommen war. Bei der ersten Untersuchung hatte er sich krank gemeldet, weil er das Tempo der Kompagnie auf den Märschen nicht aushalten konnte. Und der Major hatte dem Capitaine geraten, diesen Mann in einem Büro zu beschäftigen.
    »Und wenn uns der Frank etwas vorsimuliert hat, dann bin ich der Blamierte«, stellte Lös fest. Aber die beiden anderen sprachen ihm Mut zu. Frank habe doch nicht das Thermometer durch Reiben in die Höhe treiben können, sie hätten ihn ja nicht aus den Augen gelassen. Aber diese Tröstungen klangen nicht sehr überzeugt. Nun, da etwas Entscheidendes getan worden war, schienen die drei Katzenjammer zu haben…
    Frank hatte alle Decken von sich geworfen und lag fast nackt auf der Matratze. Der Körper war von einer gelben Haut überzogen, unter der die Knochen der Rippen und des Beckens spitz hervorstachen. Der Kranke war unruhig:
    Die Nägel mußten juckende Stellen kratzen, dann blieben rote Striemen zurück, die lange nicht vergehen wollten.
    Lös ging an die Segula und tauchte ein rauhes Leintuch ins laue Wasser, auf dessen Oberfläche die Sternbilder wogten. Dann hoben Baguelin und Kainz den Kranken auf. Frank wurde in das feuchte Leintuch gewickelt und lag hernach ruhig.
    Der alte Kainz erlaubte sich eine geflüsterte Bemerkung: »Eigentlich hättest du das net machen sollen, Korporal; wenn er jetzt schwitzt, is er vielleicht morgen g'sund, und dann bist du der Blamierte.«
    Es herrschte ein langes Schweigen nach

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