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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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dieser Bemerkung.
    Was der Stille soviel Bedrückendes gab, war Franks lautloses Atmen. Unter den vielen Decken war das Heben und Senken des Brustkorbes zu sehen. Die Nacht drang durch die geöffnete Tür und bedrängte das Licht der Stallaterne, deren Flackern war wie das Kämpfen eines Erstickenden um Luft.
    Da schlug Baguelin vor, gemeinsam zum Spaniolen zu gehen. Man könne dort etwas trinken und hernach noch dem Kloster einen Besuch abstatten. Dieser Vorschlag wirkte belebend. Lös wollte noch Smith einladen; sicher war der Schneiderkorporal bereit, mitzukommen.
    In der Schneiderwerkstatt war noch Licht. Mit gekreuzten Beinen saß Korporal Smith auf dem großen Tisch und nähte einen Kragen an einen Sergeantenrock. Die Petroleumlampe neben ihm trieb schwarze Blätter aus ihrem Glaszylinder. Smith sprang vom Tisch und hüpfte auf und ab wie ein prallgefüllter Rugbyball. Als Veitl, der Koch, der noch immer am Tor wachte, die drei nicht durchlassen wollte, wurde er einfach mitgeschleppt. Er hatte verraten, daß der Chef noch immer nicht heimgekehrt war, und durch Pullmann, den der Lärm herbeilockte, erfuhr man, daß der Leutnant tief schlafe. Er habe Chinin genommen, aus Angst, krank zu werden, denn er hatte am Nachmittag aus einem Bache Wasser getrunken. Und Pullmann schloß sich an, statt Baguelin, der verschwunden war.
    Die Kneipe des Spaniolen bestand aus einem weißgekalkten Raum, in dem zerkratzte Eisentische standen. Einzig die vielen Flaschen auf einem Bord hinter dem Schanktisch brachten mit ihren Etiketten einige Buntheit in den kahlen Raum.
    Als die fünf eintraten (Kainz, Lös, Pullmann, Veitl und Smith) betrachtete der Spaniol sie durch ein Weinglas, das er mit einem schmierigen Lumpen putzte. Seine schlecht rasierten Wangen wirkten wie abgekratzte Speckschwarten. Er näherte sich mit gesenktem Kopf und wies mit dem Finger in eine Ecke. Dort thronte der Chef und füllte den einzigen Stuhl, der mit Armlehnen versehen war; auf seinen Schenkeln saß die kleine Mulattin, die hier als Schankmädchen diente. Sie galt als seine offizielle Freundin.
    Zuerst schien Narcisse böse; die fünf störten seine Ruhe, und er wollte sie mit lauten Flüchen wieder in den Posten zurückjagen. Als aber die von Lös bestellte Flasche Anisette (Marke Brizard) vom grinsenden Wirt auf den Tisch gestellt wurde, glättete Wohlwollen seinen zornigen Mund. Der Chef trank sein Glas leer und leckte den letzten Rest von Ärger aus den Mundwinkeln. Er öffnete den Uniformrock, auch den obersten Knopf seiner Hose, um dem beginnenden Spitzbauch die zu seinem Wohlbefinden notwendige Freiheit zu verschaffen. Dann zog er die kleine Mulattin näher zu sich heran und gab ihr aus dem frisch gefüllten Glas zu trinken.
    Nach kaum einer halben Stunde war die Flasche leer; denn süß war das Getränk, brannte nicht im Munde und ließ sich trinken wie Sirup. Der Chef ließ eine zweite Flasche bringen (›auf meine Rechnung‹, sagte er) und dämmte jeden Widerspruch ab mit der flachen Hand.
    Smith entwickelte ein klebriges Erzählertalent. Er sprach in dunklen Worten von einem Smoking, bezeichnete sich als englischen Untertanen und forderte die französische Regierung heraus: ob diese sich einbilde, ihn hier in der Legion halten zu können? Dann bat er Lös (Lös könne doch so gut schreiben!), eine Charakteristik (mit Betonung auf der drittletzten Silbe) zu schreiben über den ›taylor‹ Smith, ein ausgezeichnetes Thema, ein interessantes dazu! Aber es müsse eine psychologische Studie sein (Smith stolperte ein paarmal über das Wort psychologisch und sprach es endlich englisch aus). Da unterbrach ihn aber der alte Kainz. Er hatte sich von der anderen Seite an Lös herangemacht und murmelte Verdammungsflüche, die seiner Frau in Wien galten, weil diese mit einem jungen Bäckerlehrling durchgegangen war, während er, der Mann, draußen im Felde kämpfte. Kämpfen – das sei so eine Redensart, er sei auch dort immer als Fleischer beschäftigt gewesen. Er begann zu singen: »Verlassen, verlassen bin i«, wußte nicht weiter, schluckte und ließ den grauen Kopf auf die gefalteten Hände fallen. Da aber forderte Pullmann die Genossen auf, das schöne Lied zu singen von der Hamburger Dirne: »In Hamburg, da bin ich gewesen…«
    Als der Chef ihm deshalb über den Tisch eine Ohrfeige gab, unterbrach er sich, ballte die Fäuste. Er wollte aufspringen, da sah er auf dem immer noch gegen ihn gereckten Arm die zwei goldenen Winkel: unbegreiflicher

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