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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Ausschreiten seine Schienbeine verletzen würde) aus der Türe. Der Aufbau ragt vor seinem Gesichte auf, und er gleicht einer jener Königsstatuen, die das Modell einer von ihnen erbauten Kirche bis in alle Ewigkeit tragen müssen. Die Nähmaschine wird abgestellt und mit einem Fußtritt umgeworfen. Die anderen sehen stumpfsinnig zu, der Chef hat sich schon lange davongemacht. Nach der Säuberung schreitet Smith auf Lös zu, er will einen tiefsinnigen Spruch von sich geben; verzweifelt arbeiten die Muskeln, um die Lippen voneinander zu lösen – aber der Mund ist versiegelt. Da schlägt sich der Schneider mit geballter Faust auf den Brustkasten; er hat tief eingeatmet, um die Resonanz zu vergrößern, und hält den Atem an. Und während er, steinern schreitend, wie der erwachte Komtur, in seine Werkstatt geht, fährt er fort, seine Brust mit der Faust zu bearbeiten. In der Mitte des Raumes bleibt er stehen – ein letzter starker Schlag auf seine Brust – und läßt sich zu Boden fallen. Das soll wohl bedeuten: nur ein Mensch kann mich fällen – ich selbst.
    Als Lös an diesem Morgen in die Hütte trat, lag Smith noch auf dem gleichen Fleck. Sein Gesicht war friedlich, und sein Atem ging fast lautlos. Lös schüttelte den Schlafenden, und mit einem Ruck richtete sich Smith auf, als habe er nur auf diese Berührung gewartet, streifte wiederholt unsichtbare Spinnweben von seiner Stirn, gab es dann auf, ließ seine Blicke durch die leere Werkstatt schweifen und sagte, fragend und feststellend zugleich: »Ausgeräumt?«
    Sein Gesicht wurde ängstlich, wie das eines Kindes, das Prügel fürchtet. Tränen traten in seine großen Augen, er versuchte diese Schwäche durch Übertreibung zu verbergen, indem er laut losplärrte, den Unterarm vorm Gesicht. Dann schneuzte er die Nase mit zwei Fingern, fragte, ob der Leutnant schon auf sei, und war beruhigt, als Lös den Kopf schüttelte. Er ließ seine feisten Wangen freudig hüpfen, wackelte mit Ohren und Nase, ließ sich zurückfallen, rollte zur Türe hinaus, stand auf und begann die Uniformstücke auseinanderzuklauben, zu glätten und in der Werkstatt sauber auf den großen Tisch zu schichten, der dem Ausräumen nur deshalb widerstanden hatte, weil seine Füße in die Erde eingelassen waren. Lös half. Die Nähmaschine war unversehrt. Beide schwitzten, als sie fertig waren.
    Vor der Küchentür schenkte Veitl Kaffee aus. Bitter beklagte sich soeben der Chef, daß Mehmed, seine Ordonnanz, so faul sei; er habe sich geweigert, ihm, seinem Chef, den Kaffee ans Bett zu bringen, unter dem Vorwand, er müsse die nächste Nacht auf die Wache ziehen. Und dabei zahlte er dieser Ordonnanz zwanzig Franken im Monat. Überhaupt war der Chef gereizt, seine Gesichtshaut war grau. Den beiden Ankömmlingen schickte er einen bösen Blick entgegen und erwiderte nicht das Grinsen des Einverständnisses, das sie sich erlaubten.
    Baskakoff strich schnuppernd umher, und, zum Chef gewandt, stellte er wiederholt und angriffslustig fest: »Es stinkt nach Schnaps!« Als er an Smith vorbeikam und auch hier seine Feststellung anbrachte, wurde ihm entgegnet, er könne dies ja gar nicht feststellen, da sein Inneres dermaßen verfault sei, daß jede Fliege im Umkreis von drei Meter von diesem Gestank getötet würde. Und als Baskakoff diese Beleidigung mit einem Fußtritt gegen Smith' Schienbein erwidern wollte, fing Lös das vorschnellende Bein ab, riß es an sich, so daß Baskakoff den Halt verlor und auf Smith fiel, der ihn mit beiden Ellbogen zurückstieß. Der heiße Kaffee spritzte Baskakoff ins Gesicht, hart setzte sich der Küchenkorporal auf den Boden und blickte mit verzerrtem Gesicht auf Lös: »Warten Sie nur, Korporal, ich schreibe das zu dem andern. Einmal rechnen wir ab.« Erstand auf und humpelte davon. In einer versteckten Ecke kicherte Mehmed.
    »Wie geht es Frank?« Mit dieser Frage trat der Chef vor Lös. Er wisse es nicht, antwortete dieser, er habe seinen Kranken noch nicht besucht. Der Chef tat baß erstaunt: Dies sei wohl ein Irrtum des Korporals? Ob er richtig verstanden habe: Noch nicht besucht? Und am Abend vorher sei der Major angeläutet worden? Was das eigentlich heißen solle? Beliebe der Korporal sich über seine Vorgesetzten lustig zu machen? ›Welche Mühe er sich gibt, um seine Familiarität von gestern auszulöschen!‹, dachte Lös und lächelte unwillkürlich. Dies Lächeln verwundete den Chef, er zog alle Register seines Hohnes, und seine Füße schienen die Pedale

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