Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
kahlen Zelle neben der Frau, war Kainz nicht sonderlich erstaunt. Ja, meinte er, es seien eben nicht alle gleich. Und natürlich! – die Ansteckung! Darum wäre es besser so. Der Major in Rich sei saugrob mit denen, die etwas derartiges aufgelesen hätten, lache sie aus und schicke sie, kaum geheilt, in die Kompagnie zurück. Er (Kainz) wisse einen Fall… Aber er brach gleich ab und wollte wissen, wieviel der Chef sich habe bezahlen lassen für die Hälfte der Ausgaben. (Denn Kainz hatte gelauscht.) Lös wußte es nicht mehr genau. Er zog darum seine Brieftasche heraus, eine rote Brieftasche mit geflochtenen Lederornamenten, wie man sie bei den Händlern hier zu kaufen bekam, und stellte bedrückt fest, daß ihm nur eine einzige Zwanzigernote übriggeblieben war. Dreißig mußte der Chef bekommen haben. Das erregte den alten Kainz. Er habe schon gedacht, daß Lös sich von dem fetten Scheinheiligen habe übers Ohr hauen lassen. Aber Lös tröstete den Aufgeregten. Der Jude käme heut mit der Schafherde, da seien zweihundert Franken sicher. Ob Kainz sich aufs Wiegen verstehe? Kainz lachte, zog mit dem Zeigefinger sein rechtes Unterlid tief in die Wange und wollte wissen, ob Lös ihn nie angeschaut habe und ihn vielleicht für einen heurigen Hasen halte. Er sei noch schlauer als der Jude, und er wolle die Waage so deutlich sprechen lassen, mit der Fußspitze, daß der Jehudi auch mit einer Brille zu kurz komme…
    Lös hatte sich ausgezogen und nahm in der Segula ein Bad. Der alte Kainz sah ihm zu, schüttelte den Kopf: er fand, es sei ein hoffnungsloses Unternehmen, den Schmutz und den Schweiß vom Körper zu waschen; nach einer halben Stunde sei man ja wieder genau so dreckig wie vorher.
    Er wolle noch ein wenig schlafen, teilte er gähnend mit (während Lös sich anzog und vorschlug, zur Küche zu gehen, um Kaffee zu trinken), legte sich dicht an die Mauer des Weinschuppens, um von der Sonne möglichst lange verschont zu bleiben, und schnarchte nach ein paar Minuten wieder.
    Als Lös vors Tor des Postens trat, stand dort Pullmann und sah arg verkatert aus. Auf Lös' freundlichen Gruß erwiderte Pullmann nur mit einem zerstreuten Fluch, der dem Schnaps der Verpflegung galt; Salpetersäure sei er und verbrenne den Magen. Aber dies wurde ohne die richtige Überzeugung festgestellt, Pullmanns Gedanken schienen mit anderem beschäftigt, denn er stellte die folgende, in diesem Zusammenhang schwer verständliche Frage: wie lange Lös wohl glaube, daß ein Maultier ohne Futter laufen könne. Lös wußte es nicht. »Und da sagen die Leute immer, daß du so viel weißt. Ein verdammter Idiot bist du!« blies ihn Pullmann an. »Aber wenn ich erfahre, daß du jemandem erzählt hast, was ich dich jetzt gefragt habe, so schlag ich dich ungespitzt in den Boden hinein.«
    Lös ging achselzuckend weiter. Wenn Pullmann von der Stahlkassette und einer Flucht träumen wollte, was ging's ihn an? »Schläft der Leutnant noch?« fragte er statt einer Antwort. Pullmann gab ein bejahendes Knurren von sich.
    Korporal Smith hatte die Schneiderwerkstatt ausgeräumt: vor der Türe lag die Nähmaschine in einem Haufen von Uniformstücken. Dies Ausräumen war stets die Krönung eines Rausches. Auch diese Nacht, wie schon oft, hatte Lös versucht, Smith zu beruhigen. Aber es war umsonst gewesen; der Schneider hatte ein Messer gezogen und stumm gedroht, denn sprechen konnte er nicht mehr. Da hatte auch der Chef gefunden, es sei besser, den Betrunkenen gewähren zu lassen.
    Wenn Smith ausräumt, tut er dies mit angespannter Gewissenhaftigkeit: jedes Stück faßt er behutsam mit den Fingerspitzen, hält es weit von sich und trägt es aus der Werkstatt, legt es sorgfältig auf den Boden und trampelt darauf herum. Dann faßt er es wieder sorgfältig mit den Fingerspitzen, betrachtet es aufmerksam, schüttelt es aus und wirft es gegen die Mauer. Mit allen Uniformstücken, die ihm zum Ausbessern übergeben worden sind, macht er es so, bis an der Mauer ein großer Haufen liegt. Als letztes Stück kommt die Nähmaschine dran, aber die ist schwer. Smith überlegt zuerst, ob er Hilfe verlangen soll und sieht die Zuschauer der Reihe nach an, ob sie würdig sind, ihm beizustehen. Denn das Ausräumen ist eine heilige Handlung, der Ernst von Smiths Gesicht bürgt dafür und die sakrale Einförmigkeit der Bewegungen. Er packt die Nähmaschine, hebt sie, bis die Platte sein Kinn berührt und trägt sie mit kurzen Schritten (weil das Pedal bei breiterem

Weitere Kostenlose Bücher