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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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tröstende Worte; er scheint sich an eigene Erlebnisse zu erinnern, denn er sagt: das werde alles vorübergehen, Gott, wenn er nachrechne, wieviel Tage Prison er habe machen müssen. Stolz schwingt in seiner Stimme. Zweimal vor Kriegsgericht – und die Zeit in Tunis! Von der wolle er gar nicht sprechen… Offenbar freut es ihn, den anderen am Beginn seiner Laufbahn zu sehen, die er schon längst und endgültig hinter sich hat.
    »Du mußt dir nicht einbilden, daß mit deiner Verurteilung alles erledigt ist. Nehmen wir an, du bekommst, wenn alles gut geht, fünf Jahre, dann mußt du den Rest der Dienstzeit, also drei Jahre, wenn ich rechnen kann, nachdienen, denn zwei hast du ja schon gemacht; das wird nicht leicht sein, mußt du wissen. Denn du bist durch die drei Jahre Travaux so verdorben, daß du dich nur schwer an Garnisonsdienst gewöhnen kannst. Du kriegst leichter den ›Cafard‹, gehst gern auf Pump, zwei Tage, drei Tage, bleibst eine Nacht draußen und so. Du hast nicht mehr den nötigen Respekt vor den Sergeanten und verbringst die Hälfte der Zeit in Prison, desertierst vielleicht wieder einmal… Drei Jahre. Ich kann dir sagen, du kannst von Glück reden, wenn du deine Tage nicht in Cayenne beschließest.«
    Es macht Dunoyer großes Vergnügen, die schwarze Farbe möglichst dick aufzutragen.
    Nun sitzt Lös wieder in seiner Zelle, auf der Kante des Zementblocks. Ein langer Nachmittag dehnt sich vor ihm aus, eine lange Nacht, endlose Tage, Monate. – Trotz will in ihm aufsteigen: als Untersuchungsgefangener darf man ihn eigentlich nicht so behandeln. Er hat Anrecht auf volle Verpflegung, auf Wein, auf einen täglichen Spaziergang. Er gilt noch nicht als Verurteilter, man hat ihn mit Schonung zu behandeln! Aber was nützt der Protest? Lös ist dem Willen des Capitaines ausgeliefert.
    Alles ist quälend: die Geräusche, die in die Zelle dringen, die Worte Dunoyers, die nun in der Einsamkeit weiterklingen. Zäh ist die Hitze in dem kleinen Raum… Und doch friert Lös. Wieviel Zeit ist seit gestern abend vergangen? Achtzehn Stunden – nur achtzehn Stunden! Es schmerzt, daß sich die einfachsten Wünsche nicht befriedigen lassen! Lös möchte oben auf der hellen Terrasse sitzen und Zeno neben sich fühlen! Er möchte Gewehrgriffe klopfen in stechender Sonne… Ein Genuß wäre dies, verglichen mit dem Herumsitzen auf dem harten Block. Lös stöbert in der Zelle. Grauer Staub auf dem Boden, breite und schmale Ritzen zwischen den Lehmziegeln, in einer Ecke ein Blechgefäß, mit einem schmutzigen Papier beklebt, das den Ruhm des Pflanzenfettes verkündet, das es einmal enthalten hat. Ein Stück des Deckels läßt sich abreißen; eine der Kanten ist scharf. Und weil Lös nichts zu tun hat, beginnt er diese Kante zuerst gerade zu klopfen mit einem Stein, der sich im Staub versteckt hat, und dann beginnt er sie an der einen Seite des Betonblocks zu schleifen. Während dieser stumpfsinnigen Arbeit denkt Lös an nichts. Das eintönige Scharren des Blechs gegen den Stein wirkt beruhigend; dazu kommt das Summen vieler Fliegen, die ihre Schleifen um das übelriechende Blechgefäß in der Ecke ziehen. Es sind die Fliegen, die Lös' Blick von der Beschäftigung abziehen; das ist nicht gut, denn die Kante ist inzwischen scharf geworden und zerschneidet die Haut des Daumens. Lös saugt das Blut auf. »Ein widerlicher Geschmack«, denkt er und spuckt aus.
    Lös schärft weiter. Aber seine Versunkenheit ist nicht tief genug, er lauscht auf das Geräusch der Schritte, die draußen vorübergehen. Der schwere Tritt, der sich eben nähert, gilt ihm, er weiß es, bevor noch der Riegel zurückgeschlagen wird. Das Blechstück verschwindet in der Hosentasche und geblendet schließt er die Augen.
    In der Türe steht der Adjutant. Lös erkennt ihn zuerst an den hohen Schnürstiefeln, die bis an die Knie reichen. Aber während Lös noch zu Boden blickt, schiebt sich ein schwarzer walzenförmiger Körper dicht an den Füßen des Adjutanten vorbei, drückt sich hinter den Kübel, preßt sich an die Mauer und bleibt regungslos liegen. Der Adjutant hat nichts gemerkt, er ist zu sehr damit beschäftigt, seine Augen furchterregend rollen zu lassen. Lös wirft einen kurzen Blick zur Seite, Türks ergebene braune Augen schauen zu ihm empor.
    Der Adjutant tobt und läßt seine Faust vor Lös' Gesicht wippen. Er rächt sich für das Gläschen Schnaps, das ihm am Morgen verweigert worden ist. Er schreit und schreit. Endlich ist er von seiner

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