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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Diesen armen Teufel vor Kriegsgericht schicken? Niemals! Aber… Kriegsgericht! Da sei ja noch so eine schöne Geschichte? Mit dem Korporal der Verpflegung, nicht wahr? Unterschlagung? Betrügerei? Weibergeschichten? Immer höher klettert des Capitaines gereizte Stimme. Schwindeleien, um einer arabischen Hure Kleider zu kaufen? Und er habe gerade diesem Korporal so viel Vertrauen geschenkt! Immer seien die Weiber an diesen Sachen schuld. Aber doch müsse hier energisch eingeschritten werden. Lausbubereien wie diese da (und er deutet mit dem Daumen auf die Kassette) sei er immer bereit zu entschuldigen. Denn es liege doch noch Mut in solch einer Tat. Aber Betrügerei? Fi donc! Das sei feige und gemein. Vertrauen mißbrauchen! Des Capitaines Vertrauen mißbrauchen! Chabert ist so ehrlich entrüstet, daß ihn wieder rote Wut überfällt. Er verlange einen strengen Rapport von Leutnant Mauriot über diesen Fall Lös. Niemand könne ihm vorwerfen, daß er Leute grundlos vor Kriegsgericht schicke. Aber was zuviel sei, sei zuviel. Und mit breiten Schritten geht er auf die Zellentür los, drohend schwingt er die dicke Reitpeitsche; plötzlich schreit er nach dem Chef, weil er den rostigen Riegel nicht aufbringen kann, er meint, die Türe sei versperrt. Doch ehe Narcisse herbeieilen kann, fährt der Riegel aus seiner Öse, schnellt zur Seite, die Tür kracht auf, weiter tobt der Capitaine in der Zelle. Die Matratze fliegt ins Freie, die Kopfkissen, die Decken, das Eßgeschirr. Fuchtelnd und weiter schreiend, aber schon so heiser, daß man die Worte nicht deutlich versteht, kommt Chabert wieder zum Vorschein; im Kompagniebüro geht ein neuer Wolkenbruch über den Chef nieder…
    Dann fliegt die Bürotür auf, zur Küche geht der Weg –, dort wütet der Sturm weiter. Veitl entflieht in Sprüngen, sein Gesicht ist wieder von grünlicher Blässe. Durch die Schluchten der Baracken schreitet der Capitaine, sein rotes Gesicht trieft, alle, die ihm begegnen, drücken sich gegen die Mauern oder verschwinden durch offene Türen. Chabert sieht nichts mehr, er hat die Lider gesenkt, damit seine Augen nicht vom beißenden Schweiß überschwemmt werden. Er stapft die Stufen zum Turm empor; einige Zeit noch schallt seine wütende Stimme durch das offene Fenster, dann wird sie sanfter, weinerlich schier, tränenfeucht, er scheint Samotadji sein großes Leid zu klagen.
    Leutnant Mauriot schleicht bleich durch die Höfe: er sucht Bergeret, zweimal schon hat er mit sanfter Stimme einen Vorübergehenden angehalten, um ihn nach dem Arzt zu fragen. Endlich sieht er ihn. Er kommt, ausgeruht und freundlich, aus der Messe der Offiziere und hebt erstaunt die Arme, sobald er Mauriot sieht; dieser schleppt ihn in sein Zimmer.
    »Es ist unmöglich, direkt unmöglich, daß es so weitergeht.« Mauriots Stimme ist nicht mehr näselnd, sie ist hoch und schrill, fast wie die eines Mädchens, das einen hysterischen Wutanfall hat. »Mich vor der ganzen Mannschaft zu beschimpfen und abzukanzeln. Er, ein Mann, der nicht fähig ist, seine Kompagnie anständig zu führen! Diese Schmach! Nein, nein, nein. Ich lasse mir das nicht gefallen!« Bergeret hat es sich in einer Ecke bequem gemacht, der Ellbogen ruht auf dem Knie des übergeschlagenen Beins, und die Hand hält die kurze hölzerne Pfeife. Er nickt, während er den Aufgeregten durch den Rauch wissenschaftlich interessiert beobachtet. Mauriot hat sich in die andere Ecke gestellt und spricht dort weiter, er gleicht einem Volksredner, der eine Wahlrede herunterrasselt, unterstützt von Verrenkungen und eckig geschwungenen Händen. – Im Grunde, sagt er, sei dieser Lös ganz unschuldig, einzig schuld sei nur der Capitaine, und zwar wegen des schlechten Beispiels, das er seiner Mannschaft gebe: Laxheit, sogenannte Milde, Bequemlichkeit und jenes Achselzucken über Disziplin, Ordnung, Hierarchie, das Anarchisten heranzüchte. Dieser Lös, angeregt durch das Beispiel seines Capitaines, betrachte seine Vorgesetzten als Menschen, sehe ihre Fehler und Lächerlichkeiten, empöre sich nicht einmal gegen deren Befehle, nein, befolge sie manchmal sogar, wenn sie ihm paßten, und ignoriere sie einfach, wenn sie ihn störten… Und wer habe ihm dieses Beispiel gegeben? Der Capitaine. Oh, er (Mauriot) wisse Bescheid. Wie oft seien Befehle vom Kommandanten des Sektors gekommen: Chabert habe sie einfach in den Papierkorb geworfen. Dieser Geist der Disziplinlosigkeit! Dieser perniziöse Einfluß! – Kein Wunder, daß er die

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