Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
helles Pyjama an, zerreibt ein paar Tropfen Eau de Cologne auf seiner Stirn und legt sich dann ins Bett. Zahlen wirbeln um ihn und füllen das Zimmer aus; um sie nicht mehr zu sehen, schließt er die Augen. Noch einmal läßt ihn eine schwere Wut gegen diesen Lös auffahren. Dann sinkt er zurück und schläft ein.
Aber er schläft nicht lange, da weckt ihn ein lautes Schreien, draußen vor seinen Fenstern. Eine heisere Stimme brüllt seinen Namen. Zuerst erkennt Mauriot diese Stimme nicht. Dann murmelt er: »Der Capitaine«, und denkt beruhigt, »der kann ein wenig warten.« Gemütlich fährt er in die Hosen, zieht seinen Scheitel, glättet mit ein wenig Brillantine die widerspenstigen Haare auf dem Wirbel und bindet eine frische Reitkrawatte um; er bindet sie sorgfältig, so daß sie nur zwei Millimeter über den Kragen des Waffenrocks ragt, knöpft frische Manschetten an die Ärmel seines Waffenrocks und nickt manchmal, wenn die Stimme draußen sich überschlägt. Es klopft. Mehmed schiebt sich durch die Türe, sein Chinesengesicht drückt keine Erregung aus, er spielt mit der Zunge im Mundwinkel und schielt in die Ecke, wo die Geldkassette stehen sollte, lächelt und zeigt mit dem Finger auf die leere Stelle. Der Leutnant will zuerst auffahren, eine fremde Ordonnanz, noch dazu die Ordonnanz eines Unteroffiziers. Dann aber folgt er der Richtung des Fingers, wird ein wenig bleich, seine Angst zeigt sich an der Ungeschicklichkeit der Finger, die sich in den Knopflöchern verheddern.
Mehmed hebt beruhigend die Hand. »Schon wieder da, Kassette«, tröstet er. Mauriot versteht nicht. Er will auch keine Erklärung von einem Untergebenen. Er reißt die Türe auf, tritt über die Schwelle und…
Das erste, was er sieht, ist ein Gesicht, rot wie Bordeauxwein, und ein blonder Schnurrbart leuchtet auf ihm. Die letzte Silbe seines Namens klatscht dem Leutnant wie eine Ohrfeige auf die Wange. Dann schließt sich der Mund, der diesen Laut ausgestoßen hat. Mauriot sieht fuchtelnde Arme, die sich plötzlich verschränken, er sieht eine schmutzige Khakiuniform, an der Knöpfe fehlen – und Blutflecke mustern die Hose. Aber hinter dem Capitaine, ihn um Haupteslänge überragend, steht der dicke Pullmann (unter seinem Korkhelm blühen wie immer gelbe Pusteln zwischen seinen Bartstoppeln) und trägt die Kassette auf den Händen, vorsichtig und verlegen, als sei sie ein zarter Säugling.
Nach dem Augenblick der Stille, die notwendig war, um das Verschränken der Arme majestätisch zu gestalten, überschwemmt Chabert den erstaunten Leutnant mit einer Sturzflut von Flüchen, Beleidigungen, höhnischen Anzüglichkeiten, Fragen. Vor der versammelten Mannschaft tut er dies, die abgerissen und blutig gemustert, wie ihr Capitaine, grinsend zuhört; auch die Maulesel sind anwesend, noch schwerer bepackt, und auch sie lachen mitleidig und verachtungsvoll, wenn sie die Oberlippe mutwillig nach vorne strecken und ihre Zähne entblößen.
Die Sturzflut ist vorbei; ihr folgt eine sanft plätschernde Rede: Ob während der ganzen Zeit seiner Abwesenheit keine Wache aufgestellt worden sei? Daß der Wachtposten sogar in das Zimmer des Herrn Leutnants eingebrochen sei und dort eine Kassette geholt habe, davon spreche man lieber gar nicht. Es sei nur gut, daß die Kompagnie auf ihrem Rückwege eine Abkürzung genommen habe: darum sei der Ausreißer ihr geradewegs in die Hände gelaufen. Ob man so etwas schon erlebt habe! Der Mann habe fast keine Lebensmittel bei sich gehabt, nur sein Gewehr, und statt der Patronen Zigaretten. Dafür müsse er eigentlich gestraft werden, denn dies sei unerhört: jeder Mensch müsse doch, das sei genügend bekannt, seine Patronentaschen stets gefüllt haben mit 120 Patronen, das sei die Vorschrift, und wegen Nichtbefolgung dieser Vorschrift diktiere er, der Capitaine, diesem jungen Mann da zwei Tage Prison zu. (Sobald von Pullmann die Rede ist, verliert die Stimme des Capitaines jegliche Schärfe, väterlich und milde klingt sie, und ein wenig Triumph schwingt in ihr.) Denn diese andere Kinderei wolle man doch nicht ernst nehmen! »Un coup de cafard«, sagt der Capitaine und zuckt mit den Achseln. An der ganzen Sache sei er, Chabert, eigentlich selbst schuld. Warum habe er diesen starken Mann, der nichts lieber täte als kämpfen, »hä, mein Kleiner, hab ich nicht recht?« hier im Posten zurückgelassen und noch dazu als Ordonnanz? Als Ordonnanz!! Zweimal wiederholt Chabert das Wort und betont es verachtungsvoll.
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