Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Sergeant Veyre schießt durch den Posten, steif, als stecke sein Rumpf in einem Gipsverband; zwischen die Lippen hat er ein rostiges Signalpfeifchen gesteckt, auf dem er andauernd trillert. Aus der Unteroffiziersmesse kollert das Lachen des Adjutanten; Sergeant Hassa hat einen Witz erzählt. Plötzlich wird es still dort drinnen. Die Treppe des Turmes, die über das Dach der Messe führt, dröhnt. Capitaine Chabert schreitet schwer in die Tiefe. Unten empfängt ihn der Chef. Eifrig schwatzend gehen die beiden ins Büro. Noch einmal schrillt die Pfeife einen endlosen, bösartigen Triller. Die Maultiere schreien schon hoch und quietschend, weil sie Hunger haben. Angeführt von ihren Korporälen, gehen die Titulaires zum Füttern; im Takt der Schritte schlenkern sie die schwarzen, ledernen Futtersäcke. Alle sehen müde aus und blinzeln mißmutig…
Als die erste Gruppe der Mitrailleusensektion, angeführt von Korporal Koribout, am Wachtlokal vorbeikam, drang aus der Einzelzelle ein heiseres Gebrüll, und die dicke Tür zitterte von den Schlägen, die von innen gegen sie geführt wurden. Die Gruppe geriet in Unordnung. »Lös hat sich aufgehängt«, hieß es. – »Der Schlüssel, der Schlüssel!« Man rief nach Baskakoff. Koribout allein blieb ruhig, ging zur Türe, schob den Riegel zurück. Aber die Türe ging nicht auf, etwas drückte von innen gegen sie. Inzwischen war das Geschrei in der Zelle verstummt; endlich ließ sich die Türe öffnen, zur Hälfte nur, und zwei Mann mußten helfen. Türk sprang durch die Spalte, seine Schnauze war mit Blut besudelt, er biß wütend um sich, durchbrach den Kreis, ein Fußtritt erreichte ihn noch. Bellend jetzt, in höchster Angst, floh er aus dem Tor des Postens, beschrieb auf dem Platz davor einen Kreis, noch einen; setzte sich dann und schnappte nach Luft, während seine Zunge, mit Schaum bedeckt, ihm aus dem Maul hing. Dann begann er von neuem um den Platz zu rasen, bog wieder in den Posten ein, kam vor die Zelle, die nun leer war, und schnupperte einer Blutspur nach, die quer über den Hof führte und vor dem Krankenzimmer endete.
Vor der geschlossenen Tür winselte der Hund, kratzte am Holz, bellte kurz und atemlos ein paarmal. Dann beruhigte er sich und begann seine Schnauze vom Blut zu reinigen. Das Blut schien ihm zu schmecken. Er vergaß einen Augenblick seinen Kummer und schmatzte gesättigt. Major Bergeret, der eilig herankam, unordentlich noch, mit offenem Rock und wirrem Haar, schob ihn sanft beiseite und schloß die Türe, bevor ihm Türk folgen konnte.
Inventar
Das ›Krankenzimmer‹ besteht aus zwei Räumen und liegt in der Baracke der Mitrailleusensektion. Im vorderen Raum steht ein Bett, an der Wand hängt ein kleiner Schrank, der die Medikamente enthält. Ein Stuhl, ein Tisch ergänzen die Einrichtung. Im anstoßenden Zimmer aber stehen vier richtige Betten, der Türe gerade gegenüber; meist sind sie leer. Schwerkranke werden ins Lazarett nach Rich transportiert, und die leicht Erkrankten ruhen sich in den Baracken aus.
Koribout hat Lös in den ersten Raum auf das Bett des Krankenwärters legen lassen. Der Ärmel des blutigen Hemdes ist bis zur Schulter zurückgeschlagen, im Ellbogengelenk klafft eine lange Schnittwunde, deren Ränder mit einer schmutzigen Kruste überdeckt sind. Der Krankenwärter, jenes blonde, sommersprossige Männlein, dem der spitzgedrehte Schnurrbart aus den Nasenlöchern zu wachsen scheint, ist dabei, die Wunde auszuwaschen. Der Schmerz läßt Lös die Augen aufschlagen, das merkt der Krankenwärter: »Mein armer Alter«, sagt er, »was machst du für Geschichten!« Es ist die in solchen Fällen gebräuchliche Bemerkung, darum nickt Lös nur. »Und womit hast du das gemacht? Du mußt ja bös herumgesäbelt haben!« –
»Mit einem Stück Blech«, antwortet Lös leise und kehrt den Kopf der Wand zu.
Da wird die Türe aufgerissen, das Gesumm von draußen, das nur ganz leise hörbar war, fährt wie ein lauter Schrei ins stille Zimmer, verstummt aber, sobald die Türe geschlossen ist. Bergeret dehnt sich, gähnt laut. »Laßt uns einmal sehen«, sagt er und beugt sich über die Wunde. »Aber, aber, wie dumm! Sie haben ja gar keine Arterie getroffen. Sie hätten ja niemals verbluten können!«
Er lacht leise, und Lös schämt sich, aber der Major läßt ihm keine Zeit, irgend etwas zu erwidern und fährt schnell fort: »Ja, so eine Nacht in der dunklen Zelle ist sicher nicht angenehm. Da kann man schon auf dumme Gedanken kommen.
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