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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Autorität genügend überzeugt, spuckt aus zum Zeichen seiner Verachtung, schmettert die Türe zu und muß sich noch eine Zeitlang mit dem widerspenstigen Riegel quälen.
    Während der Anwesenheit des Adjutanten hat Türk die Ohren hängen lassen. Aber sobald die Schritte verhallt sind, stellen sich die Ohren auf, eins nach dem andern, in kleinen Rucken. Und dann kriecht Türk aus seiner Ecke, setzt sich umständlich und blickt seinen Herrn an. Lös beugt sich nieder, das schwarze Fell ist rauh und ungepflegt, nur auf der Brust, zwischen den Vorderpfoten, fühlt es sich angenehm weich an. Türk rollt sich auf den Rücken, wälzt sich ein paarmal im dicken Staub, während er bedächtig und mit gesättigter Befriedigung die Pfoten schüttelt. Dann liegt er wieder auf dem Bauch – und grunzend sucht er nach einem Floh, der ihn am rechten Hinterbein sticht; hernach liegt er aufatmend still.
    Es dämmert. Vor der Zellentür klatschen Kommandos: Die Wache wird abgelöst. Lös preßt das Auge an den Spalt – wer kommandiert die Wache? – Und er erkennt Baskakoff, der gerade mit offenem Munde auf die Zelle starrt. »Von dem ist nichts zu erwarten«, denkt Lös, und setzt sich wieder auf die steinerne Kante. Er zieht das geschärfte Blechstück aus der Tasche und versucht die Schneide dicht unter dem Handgelenk. Er zerschneidet mühelos die Haut.
    Während er das primitive Messer betrachtet, überkommt ihn die Lust nach Zigaretten. Seinen Vorrat hat der Capitaine mitgenommen. Auf dem Boden liegt ein dünnes Hölzchen, er nimmt es in den Mund, um daran zu saugen. Es ist porös, die Luft zieht hindurch mit einem leicht zischenden Geräusch. Als ob sie Rauch wäre, saugt Lös die Luft tief in die Lungen. Aber der Selbstbetrug will nicht gelingen. Er wirft das Hölzchen weg. Dann quält ihn die Sehnsucht nach einem Rausch: einen Liter Schnaps zu haben, ihn unverdünnt hinunterzuschlucken und dann das schnelle Gefrieren der Unruhe zu spüren. Aber gerade diese Vorstellung steigert noch seine Schwäche. »Feig bin ich«, denkt er, »wenn ich nicht feig wäre, würde ich Schluß machen.«
    Aber auch der Wunsch nach Schnaps flaut ab, sobald er einen schier unerträglichen Höhepunkt erreicht hat. Der Durst bleibt zurück. Brunnen sieht Lös, zuerst den Brunnen im Hof, mit der Kurbel, die man drehen muß, lange, bis endlich das Wasser kommt. Dann andere Brunnen, Dorfbrunnen drüben, die in mondhellen Nächten plätschern. Und Bäche sieht er, die über weiße Kiesel rinnen; Erlen stehen an den Ufern, und ihre Blätter rascheln wie ferner Applaus. ›Sommer‹, denkt Lös. Doch kein bestimmter Sommer taucht vor ihm auf, er sieht nur ein gelbes Ährenfeld, Mohn- und Kornblumen blühen darin und violette Kornraden.
    Wie eine große Helle ist es plötzlich, aber die Helle weckt ihn, und er fühlt wieder, daß er Durst hat. Die Haut seiner Hände ist heiß und trocken. Er geht zur Tür und trommelt mit den Fäusten gegen das stumme Holz. Schleichende Tritte kommen näher. Mit ärgerlicher Stimme fragt Baskakoff, was los sei. Wasser wolle er, ruft Lös, er habe Durst. Aber Baskakoff lacht. »Verboten, streng verboten!« Er geht wieder und läßt Lös allein.
    Und die Zeit vergeht. Durch die Ritze der Tür dringt die helle Dämmerung der Nacht, aber die Finsternis der Zelle, ein zäher Pechklumpen, nimmt sie nicht auf.
    Draußen pfeift es zum Appell, später noch einmal: Lichterlöschen. Türk schläft.
    Da kratzt es an der Türe; Lös hat keine Schritte gehört, auch Türk fährt auf, knurrt leise, besinnt sich aber, wo er ist, und schleicht zur Türe.
    Es ist nur der alte Kainz, der Zigaretten und Zündhölzer bringt; er schiebt sie durch den Spalt unter der Tür und entschuldigt sich, daß er nicht hat früher kommen können. Aber alles gehe drunter und drüber in der Verpflegung. Pierrard habe die Stelle erhalten, der Belgier, der immer so ›gebüldet‹ tue. Den Leutnant habe man nur kurze Zeit gesehen, er habe den ganzen Nachmittag mit den Sergeanten in seinem Zimmer gesoffen und sie über den Kampf ausgeholt. Jetzt sei Baskakoff schlafen gegangen, und man habe Ruhe bis zur nächsten Ablösung – zwei Stunden. »Und wenn du willst, Korporal, kann ich dir die Tür aufmachen, du kannst dann dein Geld holen gehn, wenn du's versteckt hast, ich heb dir's dann sicher auf.«
    Aber Los will nicht, er will dem alten Kainz nicht sagen, daß der Chef es schon lange hat. Damit würde er sein letztes Machtmittel aus der Hand geben. Er dankt

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