Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
ganze Truppe vergifte. Aber nun wisse er (Mauriot), was zu tun sei. Er werde sich erkundigen, wie dieser Kampf verlaufen sei, er werde den Spion spielen, denn es sei eine gute Sache, die er zu verfechten habe. Und dann werde er seinem Vater, dem General (es klang, als halte sich Mauriot mindestens für einen Kronprinzen), berichten. Sein Vater sei einflußreich, ein guter Freund des Kardinal-Erzbischofs von Paris und gehöre zur »Action française«, er selbst Mauriot, sei bei seinem letzten Besuch in Frankreich mit seinem Vater nach Belgien gefahren und dort Monseigneur, dem Duc d'Orléans, vorgestellt worden. »Glauben Sie mir, Bergeret, die Zeit ist nahe, wo all dies Parlamentariervolk mit einem eisernen Besen ausgekehrt wird, wo wieder das angestammte Königshaus regiert; dann wird man Leute brauchen wie mich, die noch Disziplin im Leibe haben und Sinn für Hierarchie.«
Leutnant Mauriot schweigt, und sein Kindermund entspannt sich in einem Lächeln. So gleicht er einem Knaben, der den schönen Traum träumt, endlich erwachsen zu sein und Macht ausüben zu dürfen. Er sieht sich in schwarzseidenen Culottes, Escarpins mit roten Stöckeln an den zierlichen Füßen, in einem schweren Brokatrock, der mit Ordenssternen besetzt ist, vor seiner Majestät, dem König, stolz das Knie beugen und für die Eroberung zweier Provinzen außer dem Titel eines Marschalls noch ein Herzogtum empfangen.
Bergeret in seiner Ecke hat sich nicht bewegt, jetzt geht er zum Fenster und klopft auf dem Sims seine Pfeife aus. »Sehr interessant«, sagt er, nickt dem Leutnant zu und geht aus der Tür. Er ist ein Mensch, der stets weiß, was er zu tun hat. Gewissenskämpfe kennt er nicht.
Leise, auf den weichen Sohlen seiner Reitstiefel, steigt er über die Treppe des Turms, tritt ohne anzuklopfen bei Chabert ein und sagt mit seiner ruhigen Stimme: »Mauriot will Dummheiten machen, mein Alter, an deiner Stelle würde ich mich offiziell bei ihm entschuldigen.« Der Capitaine sieht ihn mit müden Augen an: »Will er seinem Vater schreiben?« Bergeret nickt. Er hat Mitleid mit dem alten Manne, der vor ihm sitzt und dessen Haut nun, da die Erregung abgeklungen ist, sonderbar scheckig ist. Der Arzt sagt noch: »Er will die Sergeanten über den Kampf ausholen: das wird dir wohl nicht recht sein.«
Ein resigniertes Achselzucken.
»Soll er doch. Mir ist alles gleich. Ich danke dir. Übrigens solltest du nach Rich zurück. Ich habe die Verwundeten hinschaffen lassen. Morgen werden sie dort sein. Vorläufig liegen sie noch in Midelt, um verbunden zu werden. Aber das Lazarett dort ist überfüllt, so daß sie weitertransportiert werden müssen.«
»Gut«, sagt Bergeret, »ich bleibe heute noch hier, wir werden eine allgemeine Visite auf heut nachmittag festsetzen. Ich will sehen, wie der Gesundheitszustand der Truppe ist, denn ich muß in den nächsten Tagen meinen Rapport abgeben. Morgen früh reite ich dann ab. Soll ich nach Lös sehen?« Da springt der Capitaine auf und ist wieder wütend, er stapft im Zimmer umher. Ein Hemdzipfel ist ihm aus der Hose gerutscht und weht beim Schreiten hin und her.
»Sprich nicht von dem Lumpen, vor Kriegsgericht muß er mir. Keine Schonung!« Er keucht. Bergeret zuckt die Achseln und geht wieder, nach kurzem Gruß.
Lös ist durch den Besuch des Capitaines unsanft geweckt worden. Der schwere Schlaf der Nacht hat ihm einen dumpfen Kopf zurückgelassen, den auch das wütende Eindringen Chaberts nicht ganz hat klären können. Er versucht auf dem nackten Betonblock zu liegen: aber kleine Kiesel sind in ihn eingebacken, die sowohl das Liegen als auch das Sitzen schier unmöglich machen. Der Morgen schleicht langsam vorbei und läßt den Hunger wachsen. Es wird zum Mittagessen geblasen. Lös wartet, die Tür bleibt verriegelt. Er klopft. Korporal Dunoyer ist mit vier Mann auf Wache gezogen, Lös sieht ihn durch den Spalt der Tür. »Ah, die Kalkbrenner von Atchana sind auch zurück«, denkt er. Dunoyer kommt auf den ersten Anruf. Es tue ihm leid, aber er habe strengen Befehl vom Capitaine, Lös hungern zu lassen. Er hat die Tür geöffnet und spricht ganz kameradschaftlich. – Aber, meint Lös, Dunoyer erinnere sich doch an die verschiedenen Bidons Wein, die er in der Verpflegung geholt habe. Dunoyer lacht, natürlich erinnere er sich, aber jetzt hätten sich die Zeiten geändert. Ein Stück Brot werde er dem Gefangenen gerne geben. Aber sonst nichts. Er geht es holen, es ist hart und staubig. Dunoyer spricht
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