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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Feindseligkeit war zwischen den beiden Frauen.
    Und nun trat er vor Cayetana und neigte sich zu ihr hinunter, sehr höflich. Sie wandte ihm das Gesicht voll zu, er sah es von oben; weißgeschminkt kam es aus den schwarzen Hüllen, sehr klein, der schwarze Schleier war in die Stirn hineingezogen bis zu den Brauen, der Hals war verhüllt bis zum Kinn.
    Seine Lippen sprachen die geziemenden Worte des Beileids. In seinem Innern dachte er: Du Hexe, du Mörderin, Verderberin, du Vornehme, du bringst einem jeden Unglück. Du hast mein Kind umgebracht, was tat es dir? Du hast deinen Mann umgebracht, was tat er dir? Wehe mir, daß ich in deinen Schoß fiel. Aber nun hab ich dich durch und durch erkannt, und jetzt sehe ich dich das letzte Mal. Niemals mehr werde ich dich sehen, niemals mehr werde ich zu dir kommen. Ich will’s nicht, ich hab’s mir geschworen, und ich werde es halten. Und während er so dachte, wußte er, er werde für den Rest seines Lebens mit ihr verkettet bleiben. Und gleichzeitig mit seinem Haß und seiner Verzweiflung war in ihm eine wilde, gemeine, triumphierende Freude, daß er sie auch anders kannte als in der Gestalt, in der sie jetzt vor ihm saß. Er rief sich herauf das Bild ihres kleinen, nackten Leibes, wie er in der Umarmung zuckte. Er stellte sich vor, wie er diese Stolze, unerreichbar Vornehme von neuem zerbrechen wird in seinen Armen, wie er die Lippen dieses hochmütigen Gesichtes zerbeißen wird, daß es sich auflöst und daß diese niederträchtig höhnenden Augen verschwimmen und sich schließen. Nicht streicheln wird er sie, keine schmeichelnden, bewundernden Worte wird er ihr geben, er wird sie nehmen wie die letzte Hure.
    So dachte und spürte er, während er seine gemessenen Sätze des Beileids und des Trostes sprach. Seine Augen aber tauchten herrisch in die ihren. Er hatte in diesen seinen Augen so viel menschliches Wesen eingefangen, aufgehäuft, aufbewahrt, daß sich der andere oft, von seinem Blick überrumpelt, dem Schauenden, Suchenden auslieferte. Er wollte sehen, wollte ergründen, was in diesem kleinen, frechen, zierlichen, stolzen, gewalttätigen Schädel war.
    Sie schaute ihn unverwandt an, höflich unbeteiligt, wie es denen im Saale scheinen mußte. Es waren aber in Wahrheit auch hinter ihrer geschminkten Stirn wilde Gedanken, ihr selber nicht recht greifbar und ähnlich, wie er sich’s vorstellte.
    Bisher nämlich hatte sie, wenn ihr Eufemia von dem Geschwätz der Menge über den Tod Josés erzählte, kaum hingehört. Erst jetzt, da sie in Goyas bemüht ruhiges Gesicht, in seine forschenden Augen schaute, ging ihr auf, daß nicht nur der Pöbel das Geschwätz glaubte. Sie verachtete Francisco und freute sich, daß er ihr den Mord zutraute. Sie triumphierte, daß er, wiewohl bis zum Schauder abgestoßen, nicht von ihr loskam. Erfüllt von solchen Regungen, gab sie ihm belanglose Worte des Dankes zurück.
    Er entfernte sich hilflos zornig. Er traute ihr alles Böse der Welt zu, sagte sich, das sei Wahnsinn, wußte, er werde ihr’s immer wieder zutrauen und ihr’s gegen seinen Willen auch sagen.
    Einige Tage später kam Doña Eufemia in sein Atelier und bestellte ihm, es werde an diesem Abend Doña Cayetana zu ihm kommen; er möge Vorsorge treffen, daß niemand um den Weg sei.
    Er konnte vor Erregung kaum erwidern. Er nahm sich fest vor, weder über das, was zwischen ihnen vorgegangen war, noch über den Tod Don Josés zu reden.
    Sie kam, tief verhüllt. Sie sprachen nicht, nicht einmal Worte des Grußes. Sie hüllte sich aus dem Schleier; bräunlichweiß, ungeschminkt, leuchtete die warme Blässe ihres Gesichtes. Er riß sie an sich, riß sie nieder auf das Lager.
    Auch hernach sprachen sie lange nicht. Er wußte nicht mehr, was er ihr bei ihrem letzten Zusammensein gesagt hatte, und nur vage erinnerte er sich dessen, was er gedacht im Trauersaale des Palacio Villabranca. Doch soviel wußte er: es war alles ganz anders gekommen, als er sich’s vorgenommen hatte, und im Grunde war es eine Niederlage. Aber es war eine fröhliche Niederlage, er fühlte sich erschöpft und glücklich.
    Sie – war es nach Minuten oder nach Stunden – sagte: »Ich hatte vorher gewußt, daß Trübungen kommen würden. Gleich nachdem wir im Theater gewesen waren, im ›Betrogenen Betrüger‹, kam die Brígida wieder zu mir, du erinnerst dich, die tote Zofe, und erzählte mir, es würden Trübungen kommen. Sie sagte nichts Genaues, sie blieb undeutlich. Sie kann sehr klar sein, wenn sie

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