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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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will, aber manchmal, um mich zu hänseln, bleibt sie unklar. Immerhin: als dann die Trübungen kamen, war ich nicht überrascht.« Sie sprach mit ihrer kleinen, harten Stimme, sehr sachlich.
    »Trübungen!« Die grauenvollen Zwistigkeiten zwischen ihnen, die Vorgänge um den Tod Don Josés, das waren ihr »Trübungen«. Sie schob alle Schuld von sich, sie schob alles auf das Schicksal. »Trübungen!« Plötzlich waren wieder die bösen Gedanken in ihm, mit denen er sie im Trauersaal des Hauses Villabranca umsponnen hatte. Von neuem sah er, wie die alte Marquesa von ihr abgerückt saß, sie allein lassend in ihrem leisen Geruch von Blut. Noch während er das dachte, sagte er sich, das sei Unsinn, sei gegen alle Vernunft. Doch das Geschwätz des Volkes, das Geschwätz aus dem Weinschank der Doña Rosalía war stärker als seine Vernunft. »Denk das Übelste von jedem, und du denkst das Wahre.«
    Sie sprach weiter: »Und vorbei sind die Trübungen noch immer nicht. Wir werden uns selten sehen können, ich muß jetzt doppelt vorsichtig sein. Die Menschen sind unberechenbar. Entweder jubeln sie einem zu, man weiß nicht warum, oder sie hassen und verwünschen einen, man weiß nicht warum.«
    Blut will an die Sonne, dachte er, sie muß davon reden, ob sie will oder nicht. Aber was immer sie sagt, ich glaub es ihr nicht. Wenn sie sagt, sie hat es nicht getan, glaub ich ihr nicht, und wenn sie sagt, sie hat es getan, glaub ich ihr nicht. Denn es gibt keine Frau, die lügen kann wie sie, und sie selber weiß niemals, was wahr ist und was Lüge.
    »Du weißt es ja auch und hast oft davon gesprochen«, fuhr sie fort, immer ruhig und sachlich. »Die bösen Dämonen lauernauf einen, überall, und wenn es einem einzigen glückt, dann fallen sie alle über einen her. Wenn ich nicht die Alba wäre, vielleicht käme wirklich das Heilige Offizium und prozessierte mich als Hexe. Hast du mich nicht selber schon vor der Inquisition gewarnt, Francho?«
    Nicht sprechen, befahl er sich. Ich lasse mich auf keine Debatte ein. Ich hab mir’s geschworen. Da sagte er schon: »Das Klügste wäre natürlich, du schicktest deinen Peral fort. Wenn man den Doktor nicht mehr bei dir sieht, wird es bald keine Gerüchte mehr geben.«
    Sie rückte von ihm ab, richtete sich höher. So, halb liegend, saß sie, gestützt auf den Ellbogen, nackend im schwarzen Gewell ihres Haares, und betrachtete ihn. Da waren sie gelegen, Haut an Haut, und von dem, was in ihr war, wußte er nichts. Offenbar verlangte er von ihr, daß sie sich schuldig fühle. Nicht das leiseste Schuldgefühl verspürte sie. Falls wirklich Peral bei der Betreuung Don Josés etwas getan haben sollte, um diese Reise zu verhindern, dann hatte er’s nicht getan, um ihr zu helfen, sondern nur, weil Don José ihn durch diese törichte Reise auf lange Zeit ihrer Gegenwart hatte berauben wollen. Er selber, Don Joaquín, hatte seinerzeit, als er die Stellung des Leibarztes zurückwies, ausdrücklich erklärt, es geschehe seinethalb, nicht ihretwegen. Wieviel besser verstand Don Joaquín ihre Art als Francisco, wieviel stolzer war er. Sie wollte keinem verpflichtet sein, sie vertrug keine Abhängigkeit, das verstand er, und nicht mit dem kleinsten Hauch hatte er angedeutet, es könnte durch diese albernen Gerüchte eine neue Zusammengehörigkeit zwischen ihnen entstanden sein. Unberührt ging er durch das freche Gewisper ringsum, durch alle die schmutzige Neugier.
    Sie war angefremdet, angefröstelt von Franchos Unwissenheit. Er war ein Künstler, als solcher sollte er zu ihnen gehören, zu den Granden, und die meiste Zeit fühlte er auch so, himmelhoch über dem Gemeinen. Dann plötzlich fiel er zurück und war engherzig und pöbelhaft wie ein Maultiertreiber. Was mutete er ihr da zu? Wenn Joaquín es getanhatte, sollte sie ihn in der Gefahr im Stich lassen? Sie fühlte sich weltenweit fort von Francisco. Doch im nächsten Augenblick lachte sie über sich selber. Ein Majo war er, das liebte sie an ihm, ein Majo mußte eifersüchtig sein, ein Majo wurde gemein, wenn er eifersüchtig war.
    »Es ist schade, Francho«, sagte sie, »daß du Don Joaquín hassest. Er haßt dich nicht, glaube ich, und er ist der klügste Mann, den ich kenne. Darum gibt die Inquisition aus, er sei ein Judenstämmling und trage sich Tag und Nacht mit Gedanken an Dolch und Gift. Er ist wirklich sehr klug. Und mutig. Es ist schade, daß du ihn hassest.«
    Goya ärgerte sich tief über sich selber. Wieder einmal hatte er alles

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