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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Begierden des Tieres Don Manuel geopfert. Der glücklichen Tage hatte sie auf dieser Halbinsel wenige gehabt, und zu diesen zählte sie jene, da ihr erlaubt gewesen war, Musik zu machen mit dem freundlichen und wohlerzogenen Manne, der hier im Sarge lag.
    Später dann wurde die Menge zugelassen, um vor der Leiche zu defilieren, und die ganze Nacht hindurch wurden Messen gelesen an den drei Altären.
    Dann wurde der Tote in einen Sarg gelegt, der mit schwarzem Samt bekleidet war und ausgestattet mit goldenen Nägeln und goldenen Leisten, dieser Sarg wiederum wurde eingeschlossen in einen andern, kunstvoll verzierten, aus Bronze. So brachte man den Toten nach Toledo, auf daß er dort gemäß dem Brauch bestattet werde im Erbbegräbnis der Herzöge von Alba.
    In der uralten, heiligen Kathedrale erwarteten ihn die Granden der Ersten Reihe beinahe vollzählig, auch zahlreiche andere Granden, dazu wiederum ein Repräsentant des Königs und einer der Königin, endlich der Erzbischof-Kardinal von Toledo sowie das Kapitel der Kathedrale.
    In der Mitte des Chores war ein mächtiger Katafalk errichtet, zur Rechten und zur Linken leuchteten zwölf riesige, silberneKandelaber mit zahllosen Kerzen. Dorthin wurde der Sarg gestellt. Und nun wurde der Trauergottesdienst abgehalten in Formen, wie sie den Ersten Granden des Reiches vorbehalten waren. Glocken läuteten, der ganze Prunk der mehr als elfhundert Jahre alten Kirche entfaltete sich. Dann, in der Krypta der Kathedrale, wurde Don José de Alba y Villabranca versenkt an der Seite der alten Herzöge von Alba.
    Deren Titel trug allein jetzt
    Doña Cayetana. Das ur-
    Alte Wappenschild der Villa-
    Brancas aber wurde von dem
    Haus des Toten feierlich ins
    Haus des Bruders überbracht, und
    Dieser, Don Luis María,
    Nannte fortan sich Marqués de
    Villabranca, Zwölfter seines
    Namens, darauf wartend, daß nach
    Seiner Schwäg’rin, Cayetanas,
    Tode er sich auch Herzog von
    Alba werde nennen dürfen.

25
    Im Palacio Villabranca empfingen die Mitglieder der engsten Familie die Trauerbesuche der Freunde und Bekannten.
    Auch Goya kam. Anders wäre es eine schwere Beleidigung gewesen.
    Er hatte davon gehört, daß die Albas eine Reise ins Ausland vorbereiteten. Er war überzeugt gewesen, das geschehe nur deshalb, weil Cayetana ihm zeigen wolle, daß sie sich nichts aus ihm mache. Er hatte dann von der tödlichen Erkrankung des Herzogs erfahren und von jenen Gerüchten, daß es dabei nicht mit rechten Dingen zugehe. Das warnatürlich unsinniges Geschwätz, es verflüchtigte sich vor seiner Vernunft. Aber er konnte sich nicht helfen: diese Gerüchte, die nicht schweigen wollten, erregten in ihm Angst und Abwehr sowohl wie eine leise, finstere Freude.
    Seit jenem sinnlosen Hader hatte er Cayetana nicht wiedergesehen. Aufgewühlt wie kaum je in seinem Leben, kam er in den Palacio Villabranca.
    Die Spiegel und Bilder des großen Saales waren verhängt. Auf niedrigen Stühlen, tief in Schwarz, saßen die Trauernden; es waren ihrer vier: die Marquesa, Doña Cayetana, des Toten Bruder, Don Luis María, und dessen Frau.
    Goya, wie es der Brauch verlangte, nahm zunächst schweigend Platz. Still und ernst saß er, doch in ihm war ein Wirrwarr halber, beklommener Gedanken und reißender Gefühle. Bestimmt war Cayetana unschuldig am Tode des Herzogs, die Gerüchte waren albern. Sie waren nicht albern. Immer stak etwas Wahres in dem, was das Volk sagte, und Cayetana hatte zu tun mit dieser plötzlichen, rätselhaften, verderblichen Krankheit. Wenn Don José seinethalb sollte haben sterben müssen, es wäre grauenvoll. Es wäre beglückend. »Blutige Hand und kluges Hirn vererben sich durch die Geschlechter«, dachte es in ihm den alten Spruch, und jene Furcht und Anziehung, die, seltsam gemischt, von dem Namen Alba ausging, fiel über ihn her in dem düstern Saale.
    Er stand auf, trat vor die alte Marquesa, verneigte sich, sprach, die Stimme dämpfend, die üblichen, nichtssagenden Worte des Beileids. Doña María Antonia hörte gesammelten Gesichtes zu. Aber hinter dieser Maske der Gehaltenheit sah sein genaues Malerauge ein Starr-Wildes, das früher nie in diesem Antlitz gewesen war. Und noch ein anderes, Erschreckendes nahm er mit einem Male wahr. Die Stühle der Trauernden waren nicht weit voneinander entfernt, einen kleinen Meter vielleicht: aber es war, als wäre dieser kleine Meter zwischen dem Stuhl der Marquesa und dem Cayetanas die Weite der Welt. Eine so maßlose, stumme, wohlerzogene

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