Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
daß er
Nie loskommen werde von der
Frau.
26
Bisher hatte das Volk von Madrid die Herzogin von Alba als ein liebenswertes, verzogenes Kind betrachtet, und wo immer sie sich zeigte, auf der Straße, im Theater, im Stierzirkus, hatte man sie gefeiert, weil sie, eine so große Dame, sich als Maja gebärdete und zum Volk bekannte. Nun aber, da sie die Virgen des Raphael, dieses kostbare, heilige Kunstwerk, dem Manne geschenkt hatte, der der Mörder ihres Gatten war, schlug die Stimmung um. Jetzt wurde sie der Fremden gleich geachtet, der Italienerin, jetzt wurde sie die Vornehme, die sich, gestützt auf ihre Privilegien, jede Schamlosigkeit erlaubte. Nun war kein Zweifel mehr, daß ihr Doktor Peral den armen jungen Herzog mittels schwarzer Kunst um die Ecke gebracht hatte, und man wartete darauf, daß das Heilige Offizium Licht und Feuer in diese Angelegenheit bringe.
»Wer hätte Doña Cayetana das zugetraut, chérie!« meinte Don Manuel, während er mit Pepa Karten spielte. »Wie sie sich für unsern Freund Francisco bloßgestellt hat, das ist allerhand. Ce n’est pas une bagatelle, ça.« Pepa selber verspürte eine gewisse Bewunderung vor der Alba. Es imponierte ihr, wie sich die Frau öffentlich und trotzig zu ihrer Liebe bekannte. Sie beschaute ihre Karten, bedachte sich eine Weile, spielte aus. »Aber«, meinte sie, »Größe hat das Verhalten der Dame nur dann, wenn sie auch die Folgen mit Würde auf sich nimmt; denn ich darf wohl annehmen, daß Sie ein Verfahren gegen die Herzogin und den Arzt anordnen.«
Ein solches Verfahren anzuordnen lag nicht in der Absicht Don Manuels. Es wäre unklug gewesen; denn vermutlich würden die andern Granden die Alba verteidigen. Es war Sache Doña María Luisas, ob sie gegen ihre Feindin vorgehen wollte oder nicht. Er wollte sich nicht einmischen. Er spielte seine Karte aus, ließ Pepa gewinnen, antwortete nicht.
Aber der Gedanke an die Alba ließ ihn nicht los. Die freche Geste mit dem Raphael war ein neuer Beweis, wie unsäglich hochmütig sie waren, die Albas. Dabei hatten sie geradejetzt wenig Grund, sich so zu haben. Das Schicksal hatte ihnen böse Schläge versetzt. Der Mann, der ihm sein Du nicht zurückgegeben hatte, lag unter der Erde, und angenehm war auch Doña Cayetanas Situation nicht. Es atmete sich nicht leicht in dem Geruch von Blut, der jetzt um sie war.
Zu erproben, ob sie sich noch immer so steif, spitz und arrogant habe, reizte ihn.
Mäzenatentum, Interesse besonders an den bildenden Künsten, galt als Pflicht und Privileg der Granden, und eine Lieblingsbeschäftigung der großen Herren und Damen war es, Meisterwerke auszutauschen. Besonders während der Trauerzeit widmete man sich der Pflege der Kunstschätze, um sich die zeremoniöse Langeweile zu vertreiben.
Manuel stellte sich bei Doña Cayetana ein. Bedauerte nochmals das Unglück, das sie betroffen hatte. Kam auf den Zweck seines Besuches. Seine eigenen Kunstsammlungen seien schwach in italienischen Meistern; seine Berater, Don Miguel und der jetzt leider abwesende Abate Don Diego, teilten diese seine Ansicht. Wohl aber sei er reich an Spaniern der Ersten Reihe. Vielleicht könnte sie, Doña Cayetana, ihm den einen oder andern ihrer Italiener ablassen gegen einen Greco oder einen Velázquez. Ein Bein über dem andern, saß er da, und die kleinen Augen seines hübschen, etwas schweren Gesichtes tasteten sie mit dreistem, sieggewohntem Wohlgefallen auf und ab.
Gemälde zu »tauschen«, widerstehe ihr, antwortete die Alba, wiewohl sie da vermutlich nicht schlecht führe; denn sie habe Freunde, die viel von Kunst verstünden, ihren Leibarzt Doktor Peral zum Beispiel und den Hofmaler Don Francisco de Goya. Doch sei sie im Grunde keine Sammlerin, sie habe lediglich Freude an ihren Bildern, und sie könne sich auch nicht vorstellen, daß sie auf »Ratschläge« hören sollte, von wem immer sie kämen. »Aber es wird mir ein Vergnügen sein«, schloß sie liebenswürdig, »Ihnen aus meinen Galerien den einen oder andern Italiener zu übersenden, und falls icheinmal eines Dienstes bedürftig sein sollte, werde ich Ihnen erlauben, sich zu revanchieren.«
Er fühlte sich gedemütigt. Sie hatte ihm zu verstehen gegeben, daß er, der von unten Gekommene, sich auch als Protektor der Künste nicht wie ein Grande benehme. Sie hatte sich hochmütig gezeigt in einer Situation, da sie allen Grund hätte, um sein Wohlwollen zu werben. Vielleicht sollte er doch der Inquisition einen Wink geben, daß einem
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