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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Winziges weg, tat ein Winziges zu. Es kam alles von selbst, ohne Mühe. In einer unglaublich kurzen Zeit war es da.
    Er beschaute sein Werk. Es war gut. Er hatte es geschafft. Da war etwas Neues, Großes. Das war die Frau, die sie wirklich war, mit all ihrem Geflirre. Er hatte das Verfließende, Verschwebende festgehalten. Das war sein Licht, seine Luft, die Welt seines Auges.
    Sein Gesicht entspannte sich, wurde fast töricht vor Genugtuung. Er hockte sich in einen Sessel, leicht erschöpft, müßig.
    Agustín kam. Grüßte mürrisch. Machte ein paar Schritte. Ging an dem Porträt vorbei, blicklos. Allein es mußte ihm etwas aufgefallen sein. Er wandte sich mit einem Ruck, Schärfe kam in sein Aug.
    Er schaute lange. Räusperte sich. »Das ist es, Don Francisco«, sagte er schließlich, heiser. »Jetzt haben Sie es. Jetzt haben Sie die Luft und das Licht. Jetzt hast du dein richtiges Grau, Francisco.« Goya strahlte knabenhaft über das ganze Gesicht. »Ist das dein Ernst, Agustín?« fragte er und legte ihm den Arm um die Schultern. »Ich scherze selten«, sagte Agustín.
    Er war tief aufgerührt, mehr beinahe als Francisco. Er hatte nicht gelernt, mit Zitaten aus dem Aristoteles und dem Winckelmann um sich zu werfen wie Don Miguel Bermúdez oder der Abate. Er konnte nichts, er war ein miserabler Maler, aber er verstand mehr vom Malen als irgendwer sonst, und er wußte, daß dieser Francisco Goya, sein Francho, jetztetwas erreicht hatte, wovon das ganze Jahrhundert noch keine Ahnung hatte; er war losgekommen von der Linie. Die andern hatten die Linie nur immer reiner herausarbeiten wollen, ihre Malerei war schließlich nichts mehr gewesen als kolorierte Zeichnung. Dieser Francisco lehrte die Welt neu sehen, vielfältiger sehen. Und bei all seiner Einbildung wußte er wahrscheinlich nicht einmal, was er da Großes und Neues gemacht hatte.
    Goya jetzt, auffallend langsam, nahm seine Pinsel und wusch sie umständlich aus. Während dieser Arbeit, mit stillem Jubel, doch immer langsam, sagte er: »Ich werde dich nochmals malen, Agustín. Du mußt deinen braunen, schlampigen Rock tragen und dein mürrischstes Gesicht. Das wird großartig werden mit meinem Grau, meinst du nicht? Dein Mürrisches und mein Leuchtendes, du wirst sehen, das wird ein ganz besonderer Effekt.« Er trat vor das riesige Bild des berittenen Generals, an dem Agustín noch immer arbeitete. »Recht gut, der Pferdearsch«, anerkannte er. Dann, überflüssigerweise, wusch er nochmals seine Pinsel.
    Agustín indes war voll von
    Tiefer Freude, dieses Mannes
    Freund zu sein und sein Genosse.
    Ja, er hatte ihm auf seine
    Ungeschickte Art geholfen
    Und den rechten Weg ihn finden
    Machen. Voll von Freundschaft blickte
    Er auf Don Francisco, seinen
    Francho, väterlich beinahe,
    So wie auf ein sehr begabtes,
    Liebenswertes Kind, das immer
    Neue, wilde, dumme Streiche
    Macht. Und er gelobte sich’s, den
    Unerträglichen Genossen,
    Seinen lieben Freund, für stets und
    Ewig zu ertragen.
6
    Andern Tages, davon verständigt, daß das Porträt nun fertig sei, stellten sich Don Miguel und Doña Lucía Bermúdez in Franciscos Atelier ein.
    Francisco Goya und Miguel Bermúdez waren, wiewohl einer am andern manches auszusetzen fand, nahe befreundet. Don Miguel, der Erste Sekretär des allmächtigen Don Manuel, Herzog von Alcudia, leitete aus dem Hintergrund die Geschicke Spaniens. Der fortschrittliche, im Grunde franzosenfreundliche Mann mußte viel Geschick aufwenden, um sich in diesen Zeiten gegen die Intrigen der Inquisition zu halten, und Francisco bewunderte die Bescheidenheit, mit welcher Miguel seine Macht mehr verbarg als zeigte. Als Wissenschaftler hingegen, vor allem als Kunsthistoriker, war Miguel weniger bescheiden, und das von ihm veröffentlichte große Künstlerlexikon gab sich überaus autoritär. Señor Bermúdez ließ, den Theorien eines Winckelmanns und Raphael Mengs folgend, nur die einfache, erhabene Linie gelten, die Nachahmung der Alten. Raphael Mengs und Goyas Schwager Bayeu waren ihm die größten zeitgenössischen Meister Spaniens, und er tadelte seinen Freund Francisco mit höflich pedantischem Bedauern, weil er in der letzten Zeit immer häufiger von der klassischen Theorie abwich.
    Francisco freute sich mit spitzbübischer Erwartung darauf, dem Freunde gerade am Porträt seiner Frau zu zeigen, was alles man durch Verletzung der Regeln erreichen konnte; er war überzeugt, daß Miguel trotz seiner strengen Doktrin für wahre Kunst

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