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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Verfahren gegen Doktor Peral von seiten der Regierung nichts im Wege stehe.
    Noch bevor er sich darüber schlüssig war, wurde ihm Genugtuung.
    Doña María Luisa hatte schon nach dem bedenklichen Tode Don Josés erwogen, ob sie die Alba bestrafen solle und mit ihr den Arzt, der ihr großmütiges Angebot so dreist abgelehnt hatte. Politische Erwägungen hatten sie zurückgehalten. Der Krieg mit England ging schlecht, man mußte von den murrenden Granden mehr und mehr Kriegsbeiträge verlangen; unter solchen Umständen hätte es der Adel für eine Herausforderung erklärt, wenn die Königin einer Dame vom Range der Alba öffentlich ihr Mißfallen bezeigte. Nun aber, da die Schenkung des Raphael auch bei den Granden Empörung hervorrief, konnte sie, ohne Widerrede befürchten zu müssen, die Freche in ihre Schranken zurückweisen.
    Doña María Luisa forderte die verwitwete Herzogin von Alba auf, sich in Aranjuez einzufinden, wo sich der Hof zur Zeit aufhielt.
    Sie empfing sie in ihrem Arbeitszimmer, einem heitern, hellen Raume. Weißer Damast deckte die Wände, Bezüge von gleichem Stoff die Stühle. Der Schreibtisch war ein Geschenk des so schrecklich verstorbenen Sechzehnten Louis, der berühmte Pluvinet hatte ihn gebaut, aus edelstem Mahagoni, Dupin ihn mit erlesensten Schnitzereien geschmückt, der tote König selber das kunstvolle Schloß angefertigt. An diesem Schreibtisch also, prunkvoll, sommerlich angezogen, saß die Königin, ihr gegenüber, tief in Schwarz, Cayetana, beide Damen tranken eisgekühlte Limonade.
    »Ich hatte Ihnen einmal empfehlen müssen, liebe Freundin«, sagte María Luisa, »dafür zu sorgen, daß es keine Gerüchte mehr um Sie gebe. Leider haben Sie meinen mütterlichen Rat in den Wind geschlagen und sich keine Gedanken darüber gemacht, welch wildes Gerede die unüberlegte Großmut, die Sie Ihrem Arzt bezeigten, zur Folge haben mußte.« Cayetana schaute ihr voll und mit unschuldiger Verwunderung ins Gesicht. »Das einfachste wäre natürlich«, fuhr María Luisa fort, »eine gründliche Untersuchung der Angelegenheit Doktor Perals anzuordnen. Wenn ich den König bat, von einer solchen Untersuchung abzusehen, dann geschah das allein Ihrethalb, Doña Cayetana. Das heißt – ich will offen sein –, es geht mir nicht um Sie, es geht mir um diejenigen, die den Namen Alba nach Ihnen tragen werden.« – »Ich begreife kein Wort, Madame«, antwortete Cayetana, »aber ich begreife, daß ich mir den Unwillen Eurer Majestät zugezogen habe.« Die Königin, als hätte die andere nicht gesprochen, fuhr fort: »Sie, meine Liebe, sind offenbar nicht willens oder nicht imstande, diesen edlen Namen so zu schützen, wie es Ihre Pflicht wäre. Deshalb muß ich Ihnen helfen.« – »Ich bitte nicht um diese Hilfe, Majestät«, sagte die Alba, »ich wünsche sie nicht.« – »Sie haben immer eine Antwort bereit, Doña Cayetana«, erwiderte die Königin, »aber sehen Sie, das letzte Wort habe ich.« Sie hatte ihren Limonadebecher beiseite gestellt und spielte mit der Feder, die ihre Worte zu einem Befehl machen konnte, gegen den es eine Widerrede nicht gab. »Ich werde Sie also«, erklärte sie, »ob Sie es wünschen oder nicht, vor neuen Gerüchten in Schutz nehmen. Ich stelle Ihnen anheim«, schloß sie, »sich auf einige Zeit von Madrid fernzuhalten. Auf die Dauer der Trauerzeit«, erläuterte sie.
    Auf die Dauer der Trauerzeit! Von dem Augenblick an, da sie nach Aranjuez befohlen worden war, hatte Cayetana erwartet, daß sie verbannt werden würde. Aber daß die Verbannung drei Jahre dauern sollte – denn so lange erstreckte sich die Trauerzeit der Witwe für einen Granden der ErstenReihe –, damit hatte sie nicht gerechnet. Drei Jahre ohne Madrid! Drei Jahre ohne Francho!
    Doña María Luisa, noch immer mit der schicksalsträchtigen Feder spielend, beobachtete sie; sie hatte die Lippen ganz leicht geöffnet, ein Schimmer der diamantenen Zähne war sichtbar. Für einen Augenblick hatte sich Cayetana verfärbt, aber sogleich beherrschte sie sich, die andere konnte schwerlich ihre Bestürzung gemerkt haben.
    »Sie haben drei Wochen Zeit, meine Liebe, Ihre Vorbereitungen zu treffen«, sagte jetzt die Königin, ihren Triumph so tief genießend, daß ihre Stimme beinahe freundlich klang. Die Alba, nun scheinbar völlig gleichmütig, stand auf, verneigte sich, tief in die Knie gehend, sprach die Formel: »Ich danke Eurer Majestät für die Fürsorge« und küßte ihr, wie es Vorschrift war, die Hand; es

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