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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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war ein einmaliges, märchenhaftes Glück, und er fürchtete, es könnte, wenn er zu hastig danach greife, sich in Luft auflösen.
    Selten hatte ein König Lust, zusammen mit seiner ganzen Familie einem Maler zu sitzen. Personen von Geblüt hatten wenig Geduld, und hatte der eine Muße, dann war der andere beschäftigt. Nur überaus hochgeschätzte Meister hatten solche Gruppenbilder ausführen dürfen, keiner seit Miguel van Loo.
    »Ich hab mir’s folgendermaßen gedacht«, sprach Don Carlos weiter. »Sie machen was Hübsches, Gemütliches und doch Würdiges, so wie auf dem Bild des Vierten Philipp, wo die kleine Infantin das Glas Wasser kriegt und der eine Bursche dem Hund einen Tritt gibt. Oder wie auf dem Bild meines Großvaters, des Fünften Philipp, wo sie alle so bequem herumsitzen. Ich könnte zum Beispiel meine Uhren vergleichen, oder ich spiele Violine. Die Königin liest, meine Jüngsten spielen Haschen. Alle sind angenehm beschäftigt, und doch ist eine gewisse Würde da. Sie verstehen, Don Francisco.«
    Don Francisco verstand. Aber so stellte er sich’s nicht vor. Ein Genre-Bild, niemals. Aber er war vorsichtig, er wollte sich die wunderbare Chance nicht verderben. Er danke dem König für sein Vertrauen, antwortete er ehrerbietig, und für die außerordentliche Auszeichnung. Er bitte um ein oder zwei Tage Zeit, dann wolle er der Majestät Vorschläge machen. »Genehmigt, mein Lieber«, antwortete Carlos. »Ich bin niemals eilig, und schon gar nicht in Aranjuez. Wenn Ihnen was eingefallen ist, lassen Sie es Doña María Luisa und mich wissen.«
    An diesem Tage und auch am folgenden vermied der gesellige Goya Gesellschaft. Versunken in sich selber, beinahe benommen von seinem Glück, Anrufe nicht hörend oder nicht hören wollend, ging er durch das helle, feierlich heitere Schloß von Aranjuez, schlenderte er herum in den wunderbaren Gärten, unter den gewölbten Laubdächern der Calle de Alhambra und der Calle de los Embajadores, vorbei an Brücken und Brücklein, an Grotten und Wasserkünsten.
    Etwas »Gemütliches«, nein, davon wird die Majestät wohlabsehen müssen. Die »Familie Philipps des Fünften« des van Loo mit der kunstvoll natürlichen Gruppierung war albernes Theater, ein läppisches Machwerk, zu dergleichen wird er nicht hinuntersteigen. Und die »Hofdamen« des Velázquez, die »Meninas« – gewiß, die spanische Malerei hatte Höheres nicht erreicht, und er bewunderte das Bild. Aber es blieb ihm fremd mit seiner gefrorenen Heiterkeit. Wie immer, er wollte mit keinem wetteifern, mit dem großen Velázquez sowenig wie mit dem kleinen van Loo. Er wollte wetteifern nur mit sich selber; sein Bild sollte von Francisco Goya sein, von niemand sonst.
    Am zweiten Tage sah er unklar und sehr ferne, was er machen wollte. Aber er wagte sich nicht näher heran, damit es ihm nicht verschwinde. Das Vage, Fernschwebende sehend, denkend, träumend ging er zu Bett, schlief er ein.
    Als er andern Morgens erwachte, wußte er deutlich, was er machen werde.
    Er ließ sich bei den Majestäten melden. Setzte seine Idee auseinander, mehr zu Doña María Luisa sprechend als zu Don Carlos. Ihm glücke, meinte er bescheiden, die Wiedergabe der Katholischen Könige am besten, wenn er das Repräsentative betonen dürfe, das ungemein Würdige, welches von Höchstihnen ausstrahle. Er habe Angst vor einer gewissen gesuchten Ungezwungenheit, die wirken könnte, als handle es sich um nur adelige oder gar bürgerliche Personen. Er möchte deshalb den Majestäten ehrerbietig nahelegen, ihm zu befehlen, das geplante Familienbild repräsentativ zu halten. Die Mitglieder der königlichen Familie sollten dastehen als diejenigen, wozu die Gnade Gottes sie gemacht, als Könige und Infanten. Einfach dastehen sollten sie in ihrem ganzen Glanz.
    Don Carlos war enttäuscht. Er verzichtete ungern auf die Idee, sich auf der Leinwand zu sehen mit seinen Uhren in der Hand und seiner Geige auf dem Tisch. Vielleicht war es nicht ganz königlich, wenn er sich so gemütlich malen ließ, aber man konnte es rechtfertigen, daß sich ein Monarch im Kreiseder Familie als Privatmann gab. Andernteils ließ der Vorschlag seines Hofmalers in ihm neu und stärker eine Vorstellung aufsteigen, die sein Inneres in den letzten Wochen mehrmals beschäftigt hatte. Aus Paris waren vertrauliche Meldungen gekommen, daß sich dort eine royalistische Verschwörung vorbereite, und Manuel hatte angedeutet, es könnte vielleicht, wenn man diese Bewegung

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