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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nicht ein«, grollte Don Fernando, »warum meine Würde nicht gewahrt werden kann.« Der König erklärte: »Weil du so lang bist«, und María Luisa befahl: »Sie schweigen, Don Fernando.«
    Goya trat ein wenig zurück und betrachtete die in loser Reihe stehenden Bourbonen. »Dürfte ich die Majestäten und Königlichen Hoheiten bitten«, sagte er nach einer Weile, »sich in einen andern Saal zu begeben? Ich brauche Licht von links«, erläuterte er, »sehr viel Licht, das von links oben nach rechts hinunter fällt.« María Luisa begriff sofort. »Gehen wir in den ›Saal der Ariadne‹«, schlug sie vor. »Dort, glaube ich, finden Sie, was Sie brauchen, Don Francisco.«
    Mit Lärm und Getrampel machte sich die glänzende Schar auf und zog durch das Schloß, der massige König und die geputzte Königin voran, die häßlichen alten Infanten und die netten jungen dahinter, den Beschluß bildeten die Herren und Damen des Gefolges. So zogen sie durch Säle und Korridore in den »Saal der Ariadne«. Dort ließ sich ohne weiteres das Licht tönen, von links aus der Höhe kam schräg die Lichtbahn, wie Goya sie brauchte, und an den Wänden die riesigen Gemälde, mythologische Szenen darstellend, verschwanden im Dämmer.
    Da standen der König, die Königin und die Prinzen, und vor ihnen Goya. Er beschaute sie, seine Augen nahmen sie auf, rissen sie an sich, in sich, mit ungezügelter Gier. Er schaute kritisch, scharf, genau, er starrte lange, Schweigen war im Saal, und das Gefolge fand, was da geschah, daß nämlich ein Untertan seinen König und dessen Familie so anstarrte, sei unziemlich, frech, aufrührerisch, und es dürfe nicht sein. Überdies hatte Goya – er hätte selber nicht sagen können, warum – diesmal gegen den Brauch und gegen seine eigene Gewohnheit seinen Arbeitskittel an.
    Und nun sagte er gar: »Ich hätte noch zwei Bitten. Wenn Seine Königliche Hoheit der kleine Infant ein leuchtendes Rot tragen könnte, würde es Ihre Majestäten sowohl wie Seine Königliche Hoheit selber besser zur Geltung bringen. Sodann wäre es im Interesse des Bildes, wenn Seine Königliche Hoheit der Herr Kronprinz nicht Rot trügen, sondern ein helles Blau.« – »Dieses Rot ist das gleiche wie das meiner Generalsuniform«, begehrte Don Fernando auf, »es ist meine Lieblingsfarbe.« – »Du trägst Blau«, sagte trocken die Königin. Don Carlos meinte versöhnlich: »Dafür kannst du, wenn Don Francisco nichts dagegen hat, mehr Orden und Bänder tragen, auch das Goldene Vlies.« – »Seine Königliche Hoheit der Herr Kronprinz«, sagte beschwichtigend Francisco, »werden ganz im Lichte stehen. Orden und Bänder werden an ihm besonders glänzend leuchten.«
    In schneller Arbeit riß er die Skizze aufs Brett. Dann erklärte er, die einzelnen Herrschaften allein oder in kleinen Gruppen werde er noch um ein paar Sitzungen bitten müssen. Sie alle zusammen brauche er nurmehr ein einziges Mal, für eine letzte, große Farbenskizze. »Genehmigt«, sagte der König.
    Auch in dieser Nacht schlief Goya nicht gut. Nein, er wird keine vertrackte Anekdote malen wie van Loo, und niemand soll sagen dürfen, was dem Velázquez erlaubt sei, sei dem Goya nicht erlaubt. Velázquez ist groß und tot, dachte er, beinahe triumphierend, und es ist eine andere Zeit, und ichbin nicht klein, und ich bin lebendig. Und in der Dunkelheit, mit innerm Jubel, sah er deutlich, was er malen wollte, die widerstrebenden Farben, die er zwingen wird, eins zu sein, den ganzen schillernden, glitzernden Einklang, und inmitten des phantastischen Gefunkels hart, nackt und klar die Gesichter.
    Noch bevor er an die Einzelskizzen ging, wurde er zum Intendanten des Königs gerufen, dem Kämmerer Marqués de Ariza. Dieser empfing ihn in Gegenwart des Schatzmeisters Don Rodrigo Soler. »Ich habe dem Herrn Hofmaler einige Eröffnungen zu machen«, erklärte der Marqués; er sprach höflich, doch vor sich hin ins Leere, ohne Francisco anzuschauen. »Wiewohl man füglich Ihre Hoheit Doña María Antonia, Kronprinzessin von Neapel, als die Verlobte Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen Don Fernando betrachten darf, sind die Verhandlungen zwischen den hohen vertragschließenden Parteien nicht völlig abgeschlossen, so daß Änderungen noch im Bereich des Möglichen liegen. Es dürfte sich daher empfehlen, daß der Herr Hofmaler der hohen Verlobten etwas unbestimmte, gewissermaßen anonyme Gesichtszüge gibt, so daß im Fall anderer Dispositionen die vom Herrn Hofmaler

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