Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
dargestellte Figur eine andere hohe Frau verkörpern könnte. Bin ich von dem Herrn Hofmaler verstanden?« – »Ja, Exzellenz«, erwiderte Goya. »Man hat weiterhin darauf aufmerksam gemacht«, fuhr der Marqués de Ariza fort, »daß die Zahl der darzustellenden fürstlichen Persönlichkeiten, wenn der zukünftige Erbprinz von Parma, ich meine den Säugling, sowie die hohen abwesenden Infantinnen mit eingerechnet werden, dreizehn beträgt. Nun sind natürlich die darzustellenden hohen Persönlichkeiten erhaben über jeden Aberglauben, nicht aber alle potentiellen Beschauer. Infolgedessen hat man den Vorschlag gemacht, es könnte sich der Herr Hofmaler, wie dies auf früheren Gemälden ähnlicher Art geschehen ist, selber auf dem Bilde anbringen, natürlich in unaufdringlicher Weise. Bin ich von dem Herrn Hofmaler verstanden?« Goya, trocken, antwortete: »Ich denke, ja, Exzellenz. Man hat angeordnet, ich sollmit auf das Bild, im Schatten malend.« – »Man dankt dem Herrn Hofmaler«, erwiderte der Marqués, »der Herr Hofmaler hat verstanden.«
In Goya arbeitete es. Er dachte daran, wie sich Velázquez dargestellt hatte auf seinem Bild der »Königlichen Familie«, groß, selbstverständlich, ohne Anmaßung, keineswegs im Schatten, und dann hatte König Philipp mit eigener Hand dem gemalten Velázquez das Santiago-Kreuz auf die Brust gemalt. Er selber, Francisco, wird sich in den Schatten malen, aber er wird auch dann sehr sichtbar bleiben, und auch sein König wird ihn belohnen, mit weniger Charme vielleicht als Don Felipe den Velázquez, aber zum Ersten Maler wird er ihn ernennen, endlich; nachdem er ihm diesen großen, schweren Auftrag gegeben hat, ist des kein Zweifel.
»Es bliebe noch die Frage des Honorars zu erledigen«, sagte höflich Don Rodrigo Soler, der Schatzmeister, und sogleich überkam Francisco seine ganze bäuerliche Rechenhaftigkeit, und er beschloß, sehr gut zu hören. Manchmal nämlich bot man in ähnlichen Fällen ein niedriges Honorar, annehmend, der Maler werde sich durch die Ehre des Auftrags entschädigt fühlen. »Ich dachte ursprünglich«, erklärte behutsam Francisco, »die vorbereitende Arbeit könnte sich auf flüchtige Herstellung von Skizzen der einzelnen hohen Persönlichkeiten beschränken; es hat sich aber ergeben, daß ich auch die Einzelporträts bis ins kleinste werde ausführen müssen. Es werden etwa vier kleinere Porträtgruppen werden und zehn Einzelporträts.«
Der Marqués de Ariza stand stumm da, voll hochmütiger Abwehr. »Es wurde beschlossen«, sagte der Schatzmeister Soler, »Ihrer Honorierung nicht die aufgewandte Zeit zugrunde zu legen. Vielmehr wird Ihr Gemälde gemäß der Zahl der hohen darzustellenden Persönlichkeiten honoriert werden. Wir werden Ihnen für die Köpfe der Majestäten und Hochdero Kinder je 2000 Realen bezahlen, für die Köpfe der andern Mitglieder der Königlichen Familie je 1000.« Goya überlegte, ob wohl auch die Köpfe der abwesenden Infantinnen, der desSäuglings und sein eigener honoriert werden würden; allein er fragte nicht.
Im stillen lächelte er. Schlecht war die Honorierung keinesfalls. Er pflegte seine Preise zu erhöhen, wenn der Besteller die Hände mitgemalt haben wollte. Diesmal war von Händen nicht die Rede gewesen, und es war von vornherein in seinem Plan gelegen, nur ganz wenige Hände mitzumalen, höchstens vier bis sechs. Nein, die Honorierung war nicht unanständig, selbst wenn man nur zehn Köpfe honorieren sollte.
Noch am gleichen Tage, in dem provisorischen Atelier, das man ihm im »Saale der Ariadne« einrichtete, begann er zu arbeiten.
Hier konnte er jedes einzelne Modell in genau das Licht stellen, in welchem es in dem Familienbild stehen wird, und er führte die Skizzen aus bis ins letzte Detail. Er malte Don Luis, den Erbprinzen von Parma, würdig, jung, leidlich hübsch, ein wenig dümmlich. Er malte die freundliche, nette unansehnliche Infantin María Luisa mit ihrem Säugling. Er malte die alte Infantin Doña María Josefa. Wiewohl entschlossen, ihr Gesicht nur hervorlugen zu lassen zwischen den Vollfiguren des Kronprinzen und seiner anonymen hohen Braut, verwandte er auf die Skizze zwei volle Vormittage; die abschreckende Häßlichkeit der alten Infantin faszinierte ihn.
Ein überaus williges Modell war der König selber. Er hielt sich sehr aufrecht und drückte Brust und Bauch heraus. Darauf schimmerte das weißblaue Band des Carlos-Ordens, strahlte das rote Band des Christus-Ordens von
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