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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nicht an sich halten, er mußte endlich heraussagen, was er da machen wollte, mußte es erklären. »Ich will nichts konstruieren«, sagte er. »Ich will’s nicht wie Velázquez machen, keine vertrackte Anekdote, verstehst du. Ich stell diese Menschen einfach hin, simpel, kindlich.« Er spürte, Worte, vor allem seine Worte, waren zu ungefüg und plump für das Delikate und Komplizierte, was er auseinanderzusetzen trachtete, aber es zwang ihn weiterzureden. »Das Einzelne muß natürlich ganz deutlich werden, dabei darf man es überhaupt nicht sehen. Nur die Gesichter müssen auf einen herschauen, hart, wirklich, genau, wie sie sind. Und dahinter ist es dunkel, man ahnt gerade noch die Riesenschinken im ›Saal der Ariadne‹. Siehst du, was ich machen will? Verstehst du’s?«
    »Ich bin doch kein Trottel«, antwortete Agustín. Und mit stillem, ruhigem Triumph sagte er: »Hombre! Das wird wirklich etwas ganz Großes. Und etwas ganz Neues. Francho, Francho, was bist du für ein Maler!« – »Merkst du das endlich?« gab vergnügt Francisco zurück. »Übermorgen gehen wir nach Aranjuez«, fuhr er fort. »Dich nehme ich natürlich mit. Wir werden schnell fertig sein. Ich brauche die Porträts nur zu übertragen. Es ist alles da, worauf es ankommt. Es wird großartig werden.« – »Ja«, sagte überzeugt Agustín. Er hatte ängstlich darauf gewartet, ob Francisco ihn einladen werde mitzukommen; nun freute er sich kindlich. Und sofort wurde er praktisch. »Also übermorgen nach Aranjuez«, sagte er. »Da ist vorher noch eine Menge zu tun. Ich muß zu Dacher wegen des Rahmens und wegen der Leinwand, zu Ezquerra wegen der Farben, und über den Firnis muß ich auch mit ihm reden.«
    Er überlegte eine Weile, dann meinte er zögernd: »Du hast die ganze Zeit über die Freunde nicht gesehen, Jovellanos, Bermúdez, Quintana. Jetzt gehst du wieder auf Wochen nach Aranjuez. Solltest du nicht mit ihnen zusammenkommen?«
    Goya hatte sich verfinstert, und Agustín fürchtete, er werde aufbrausen. Doch Goya bezwang sich. Er verstand kaum mehr, wie er so lang ohne Agustín hatte auskommen können, er konnte sich nicht vorstellen, wie er in Aranjuez ohne diesen verständigsten Freund hätte weiterarbeiten sollen, er mußte ihm die Freude machen. Außerdem hatte Agustín recht, es wäre eine Beleidigung gewesen, wenn er die Freunde nicht gesehen hätte.
    Er traf Miguel und Quintana bei Jovellanos. »Wir haben uns lange nicht gesehen, ich stak tief in der Arbeit«, entschuldigte er sich. »Von den guten Dingen der Welt«, meinte bitter Don Miguel, »ist Arbeit das einzige, das keinen übeln Nachgeschmack hinterläßt.«
    Dann, natürlich, sprach man über Politik. Es stand schlimm um Spanien, schlimmer, als Goya, der in Aranjuez die allgemeinen Dinge nicht an sich herangelassen, es in seinem Innern hatte wahrhaben wollen. Die Flotte, von der alliierten Französischen Republik in den Krieg gezwungen, hatte sich von der schweren Niederlage beim Cap von Sao Vicente nicht mehr erholt. Die Engländer hatten Trinidad genommen, sie unterbanden die Zufuhr aus Indien, bedrängten sogar die Küsten des spanischen Mutterlandes. Die hohen Kriegskosten schufen Hunger und Elend. Das Direktorium in Paris aber ließ es Spanien entgelten, daß man so lange mit dem Abschluß der Allianz gezögert hatte. Die Republik sonnte sich in den Siegen, die ihre Armeen in Italien erfochten hatten, und ließ Spanien überall im Stich. Der General Bonaparte ging so weit, die italienischen Verwandten des spanischen Königshauses zu entthronen und ihre Länder einzustecken. Gewiß, die Allianz mit Frankreich war gute Politik gewesen und war nach wie vor der einzig gegebene Kurs. Aber statt darauf zu drängen, daß die Republik ihre Verpflichtungen aus dem Bündnisvertrag auch einhalte, gab Spanien überall nach. Es lag daran, daß die Königin und Don Manuel die Ämter mit ihren Günstlingen besetzt oder schlankwegs verkauft hatten. An den entscheidenden Posten saßen schlechte Männer, diesich, statt Spaniens Interessen zu wahren, von der Republik bestechen ließen. Maria Luisa selber war nicht unempfänglich. Raffte sie sich einmal zu energischer Forderung auf, dann schickte Paris ihr kostbare Geschenke, und die scharfe Beschwerde wurde zahme Klage.
    Goya hörte stumm zu, voll Abwehr. Er gehörte zum Hof, im Grunde waren diese hier, da sie gegen den Hof eiferten, seine Feinde. Es war seltsam, daß Spaniens Fluch ihm selber zum Segen wurde. Wahrscheinlich war der

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