Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
gutmütig fröhliche Don Carlos, der sich mehr für sein Spielschiffchen interessierte als für die wirkliche Santísima Trinidad, ein schlechter König, wahrscheinlich war die Herrschaft Doña María Luisas ein Unglück für das Land; doch wenn diese beiden nicht wären, wie sie waren, dann hätte er keine Aufträge. Und sogar, daß der General Bonaparte dem Bruder María Luisas das Großherzogtum Parma weggenommen hatte, schlug ihm, Goya, zum Vorteil aus. Denn wenn nicht der Erbprinz von Parma und seine Infantin dadurch gezwungen worden wären, den Sommer in Aranjuez zu verbringen, wer weiß, ob dann Don Carlos auf die großartige Idee gekommen wäre, »uns alle zusammen« malen zu lassen.
Diese Erwägungen verhinderten nicht, daß die Empörung der andern über Spaniens selbstsüchtig schlechte Verwaltung auch Goya ergriff. »Die Herrschaften mußten sich verdammt anstrengen, um ein so gesegnetes Land wie das unsere so tief herunterzubringen.« Diese Worte des Jovellanos und wie er sie gesagt hatte, blieben Goya im Ohr.
Aber er schüttelte den dicken Kopf; er hatte anderes zu denken. Er rüstete die Rückfahrt nach Aranjuez.
Für Josefa hatte er in diesen paar Tagen kaum Zeit gehabt; das fiel ihm jetzt auf die Seele. Schließlich wollte er sein Werk, nachdem er’s Cayetana und Agustín hatte sehen lassen, vor ihr nicht verstecken. Mit einem kleinen, etwas verlegenen Schmunzeln führte er sie vor die aufgespannten Skizzen.
Versuchte ihr zu erklären, was er vorhatte. Sie verstand genug von Malerei, um aus den Skizzen und seinen Erläuterungenklug zu werden. Sie stellte sich das fertige Bild vor und wußte nicht, ob sie es gut fand. Sicher wird von der Leinwand das wundervolle, verwirrende Glitzern ausgehen, von dem er sprach, und die Gesichter der Könige und Prinzen werden scharf herausspringen. Aber die Skizzen schauten sie böse an, und die Vorstellung des fertigen Bildes machte ihr kalt. Sie fürchtete, es werde darin ein übler Geist sein, etwas Ketzerisches, Gefährliches, Aufrührerisches. Gewiß, schön waren die Majestäten auch im Leben nicht, aber auf den Porträts des Raphael Mengs, des Maella, ihres Bruders und selbst auf den früheren Porträts Franciscos waren sie bei aller Ähnlichkeit doch nicht so häßlich. Und werden sie sich das gefallen lassen? Sicher wird Unglück kommen von diesem Bilde.
»Nun, was meinst du?« fragte Goya.
»Sind der König und die Kön’gin«,
Fragte sie zurück, »und ist vor
Allem die Infantin-Tante
Nicht –«, sie suchte nach dem Wort. »Zu
Ähnlich?« half er ihr. Sie nickte.
Angezogen, abgestoßen,
Stand und schaute sie und sagte
Schließlich: »Trotzdem, sicher wird’s ein
Meisterhaftes Werk, nur ist’s so
Überraschend.«
30
In Aranjuez, im »Saale der Ariadne«, schaute Agustín mit wissender Bewunderung zu, wie nun unter des Freundes kundiger Hand, was dieser in seinem Innern gesichtet hatte, allen sichtbar wurde.
Und noch eines erkannte jetzt mit tiefer Freude Agustín: daß nämlich »Die Familie Carlos’ des Vierten« ein politisches Bild wurde. Allein er hütete sich, diese Erkenntnis laut werdenzu lassen. Denn natürlich dachte Francisco nicht daran, »Politik« zu malen. Er glaubte an das absolute Königtum, er spürte Sympathie für diesen gutmütigen, von seiner Würde erfüllten Monarchen und für diese Doña María Luisa, die sich aus dem Kuchen Welt mit unersättlichem Appetit ihr ungeheures Teil herausschnitt. Aber die wüsten Ereignisse, die Spanien heimsuchten, die zerschlagenen Schiffe, der ausgeplünderte Staatsschatz, die Schwäche und Arroganz der Königin, das Elend des Volkes, das alles war, während er malte, in Goyas Hirn, ob er’s wollte oder nicht. Und gerade weil er keinen Haß malte, sprang aus dem stolzen Leuchten der Uniformen, Orden und Juwelen, aus dem Gefunkel all dieser Attribute des gottbegnadeten Königtums, die armselige Menschlichkeit der Träger dieses Königtums einem jeden mit nackter, brutaler Sachlichkeit ins Auge.
Noch nie hatten die beiden so gut zusammengearbeitet. Verzog Agustín das treue, mürrische Gesicht auch nur um ein winziges, dann wußte Francisco, etwas stimmte nicht. »Was meinst du zu dem Mund der Königin?« fragte etwa Goya. Agustín kratzte sich nachdenklich den Schädel, und schon gab Francisco der María Luisa der »Familie« verpreßte Lippen statt der dicklächelnden der Porträtskizze. »Eigentlich sieht der Infant Antonio dem König verdammt ähnlich«, meinte Agustín, und
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