Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Portugal, flimmerte das Goldene Vlies; matt leuchtete über dem kastanienbraunen Samt des Rockes der graue Besatz, blitzte der Griff des Degens. Der Träger all dieser Pracht aber stand da, stramm, beharrlich, bedeutend, stolz darauf, wie gut er trotz seiner Gicht das lange Stehen aushielt.
War es dem König eine Lust, so dazustehen und zu posieren, so machten ihm die Pausen keine kleinere Freude. Dann legte er wohl den Degen ab, zuweilen auch den gewaltigenSamtrock mit all den Orden und Bändern, räkelte sich im Sessel, verglich liebevoll seine Uhren und unterhielt sich über Jagd, Landwirtschaft, Kinder und Fragen des Alltags. »Sie kommen ja auch auf das Bild, Don Francisco«, meinte er eines Tages wohlwollend. Er musterte seinen Maler und schätzte ihn ab. »Sie machen eine ganz stattliche Figur«, fand er, und: »Wie wäre es mit einem kleinen Ringkampf?« schlug er vor, unvermutet, belebt. »Ich bin viel größer als Sie, zugegeben, und wohl auch viel kräftiger gebaut, aber ich habe meine Jahre und meine Gicht. Lassen Sie mal Ihren Bizeps fühlen«, befahl er, und Goya mußte seinen Arm frei machen. »Nicht übel«, begutachtete er. »Aber betasten Sie den meinen.« Goya tat es. »Allerhand, Majestät«, anerkannte er. Plötzlich fiel Don Carlos über ihn her. Goya, überrascht, wehrte sich heftig. Er hatte in der Manolería mit so manchem Majo Ringkämpfe aufgeführt, in Scherz und Ernst. Carlos, schnaufend, nahm seine Zuflucht zu unerlaubten Griffen. Goya, darob verdrossen, vergaß, daß er Erster Maler werden wollte, und kniff mittels eines richtigen Majo-Griffes den König auf schmerzhafte Art in die Innenseite des Schenkels. »Au«, sagte heftig Don Carlos. Francisco, sich kontrollierend, auch seinesteils schnaufend, sagte: »Ich bitte untertänigst um Verzeihung.« Immerhin dauerte es noch eine Weile, ehe er sich von Carlos das Knie auf die Brust setzen ließ. »Sie sind mir einer«, sagte Carlos.
Im übrigen bezeigte er Francisco auf jede Art seine Gnade. Immer in Aranjuez fühlte er sich besonders wohl; oft da zitierte er den alten Spruch: »Wenn Gott nicht Gott wäre, möchte er der König von Spanien sein mit einem französischen Koch.« Sehr wohlgelaunt also fühlte sich Don Carlos, und er wollte seine gute Laune auch auf Francisco übertragen, dadurch den Fortgang der Arbeit störend. Er führte ihn herum in der halbfertigen »Casa de labrador«, in seinem »Bauernhaus«, dem prächtigen Nebenpalast, den er im Park errichten ließ, und er versprach Goya, daß auch auf ihn dort Arbeit warte. Mehrmals nahm er ihn mit auf die Jagd. Ein anderesMal hieß er ihn in den großen Musiksalon kommen, und hier, massig inmitten der zierlichen chinesischen Einrichtung, spielte er ihm auf der Geige vor. »Finden Sie nicht, ich habe Fortschritte gemacht?« fragte er. »Es gibt sicher bessere Geiger in meiner Kapelle, aber unter meinen Granden bin jetzt, da unser guter Alba so früh hat dahingehen müssen, ich wohl der beste Musikant.«
Es war unter Goyas Modellen ein einziges, das sich widerspenstisch zeigte: der Kronprinz, Don Fernando. Goya behandelte den Sechzehnjährigen mit besonderer Ehrerbietung und tat sein Bestes, ihn für sich zu gewinnen. Doch der gewalttätige, eingebildete Fernando blieb störrisch. Er wußte, Goya war ein Freund des Príncipe de la Paz, und den haßte er. Von Mägden, Gouvernanten, Hofdamen frühzeitig in die Genüsse des Geschlechtes eingeführt, hatte der kleine Prinz sehr bald erfahren, daß Don Manuel der Liebhaber seiner Mutter war, und er hatte ihn mit Neugier, Neid und Eifersucht betrachtet; dann gar hatte, als einmal der elfjährige Fernando mit dem kleinen Degen seiner Oberstenuniform nicht fertig geworden war, Don Manuel ihm Rat gegeben, herablassend erwachsen, keineswegs untertänig. Jetzt also mußte er dem Freunde dieses Don Manuel Modell stehen in einem Rock, dessen Farbe er nicht mochte, und der Maler erdreistete sich obendrein, vor ihm, dem Thronfolger, seinen Arbeitskittel zu tragen.
Dafür war Doña María Luisa ein besonders gefügiges Modell. Wie Goya es wünschte, posierte sie bald allein, bald mit den beiden Kindern, bald ließ sie jedes der beiden Kinder allein für sich posieren.
Endlich war es soweit, daß er die Herrschaften untertänigst bitten konnte, ihm noch einmal in Gesamtheit und in Gala im »Saale der Ariadne« Modell zu stehen für die große Farbenskizze.
Da standen sie, und Goya beschaute sie und sah beglückt: der Einklang zwiespältiger
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