Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Francisco«, antwortete sie.
Es gab viele Sonnenuhren im Garten, eine mit gemaltem Schattenzeiger. »Graf Olivares«, erläuterte Doña Cayetana, »ist wohl ein wenig sonderbar geworden hier in seiner Verbannung. Offenbar träumte er davon, die Zeit stillstehen zu machen, bis seine Sterne wieder günstiger seien.«
Man nahm ein leichtes Mahl. Um die Wände des Speisezimmers lief das Fresko eines blassen Gartens mit vielen Säulen, Girlanden waren da, ägyptische Motive. Auch hier zeigte der gemalte Schattenweiser einer Sonnenuhr eine immer gleiche Stunde.
Nach dem Mahl verabschiedete sich Cayetana. Er ging in sein Schlafzimmer, es war heiß, er legte sich nackend aufs Bett für eine lange Siesta. Er war faul und wunschlos. Das war er selten in seinem Leben. Immer beschäftigten ihn Pläne, er konnte nicht im Bett liegen, ohne an den nächsten Tag zu denken, an die nächste Woche, an neue Unternehmungen. Nicht so heute. Heute bedauerte er den Schlaf, der ihn ankam, nicht als verlorene Zeit, er fühlte mit Lust, wie er ihn umnebelte, wie ihm der Körper wegsank. Er schlief tief und erwachte glücklich.
Ähnlich wie diesen ersten Tag verlebte er die folgenden, lässig, glücklich. Cayetana und er waren die meiste Zeit allein. Peral störte wenig. Vor Eufemia gar hatte Cayetana keine Heimlichkeit und Scheu.
Einmal saßen sie, Cayetana und Francisco, halbnackt im verdunkelten Raum, es war heiß, Cayetana fächelte sich. Eufemia kam herein, ihr geeiste Limonade zu bringen. Sie gewahrte den Fächer, stutzte, ließ den Becher mit der Limonade fallen, lief auf Cayetana zu, entriß ihr den Fächer. »Doch nicht diesen!« rief sie. »Wenn Sie so dasitzen!« Es war ein Fächer, auf dem die Virgen del Pilar gemalt war.
Ein Vorfall solcher Art gehörte schon zu den bewegten Ereignissenin Sanlúcar. Sie hatten viel erlebt, beide, Francisco und Cayetana, kaum je in all ihren Jahren hatten sie eine so stille und zufriedene Zeit gehabt, und sie erfreuten sich ihrer.
Er arbeitete wenig. Leinwand, Pinsel, Palette rührte er nicht an; es waren seit seiner Lehrzeit die ersten Wochen, in denen er nicht malte. Hingegen zeichnete er viel, doch nur sich zur Lust. Er zeichnete auf, was ihm an Cayetanas Alltag gefiel. Einmal fragte sie, ob er sie nicht malen wolle, als Maja vielleicht. »Laß uns faul sein«, bat er. »Malen ist meine Art zu denken. Laß uns nicht denken.«
»Wieviel Namen hast du eigentlich?« fragte er ein andermal, angesichts eines Dokumentes, auf dem die Aufzählung ihrer Titel eine ganze Reihe von Zeilen beanspruchte. Hidalgos durften bis zu sechs Vornamen haben, Granden bis zu zwölf, Granden der Ersten Reihe waren unbeschränkt in der Zahl ihrer Vornamen. Viele Vornamen zu haben war gut; dann genoß man den Schutz vieler Heiliger. Cayetana hatte einunddreißig Namen, sie zählte sie her: »María del Pilar Teresa Cayetana Felicia Luisa Catalina Antonia Isabel« und die weiteren alle. Er meinte, trotz seines guten Gedächtnisses könne er sich so viele Namen nicht merken, aber das wisse er, sie habe ebenso viele Gesichter wie Namen. »Zähl mir doch die Namen noch einmal her«, forderte er sie auf, »Namen für Namen, und ich zeichne dir zu jedem dein Gesicht.« Sie nannte die Namen, er zeichnete, die beiden Frauen, Cayetana und die Dueña, schauten zu. Er zeichnete schnell, frech, lustig und scharf, und die Gesichter, wiewohl allesamt Gesichter Cayetanas, waren in der Tat deutlich unterschieden; viele liebenswerte waren darunter, doch auch unheimliche, böse.
Cayetana lachte. »Wie gefalle ich dir, Eufemia?« wandte sie sich an die Dueña. »Es ist großartig, was da der Herr Erste Maler zeichnet«, antwortete Doña Eufemia, »aber es wäre gut, wenn er nicht weiterzeichnete. Es bringt keinen Segen, alles aufs Papier zu setzen.« – »Bitte, den nächsten Namen«, sagte Goya. »Susana«, sagte Cayetana, und Goya zeichnete weiter. Während er zeichnete und ohne die Dueña anzuschauen,fragte er: »Halten Sie mich für einen Hexer, Doña Eufemia?« Die Dueña, ihre Worte vorsichtig wählend, antwortete: »Ich glaube, Exzellenz, eine Kunst, die von Gott kommt, sollte vornehmlich zur Darstellung von Heiligen benutzt werden.« Goya, immer weiter zeichnend, sagte beiläufig: »Ich habe viele Heilige gemalt. Sie können in zahlreichen Kirchen fromme Bilder von mir hängen sehen, Doña Eufemia. Den Heiligen Francisco de Borja allein habe ich neunmal gemacht, für die Osunas.« – »Ja«, sagte Cayetana, »sie sind sehr
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