Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
wird sichtbar in der ›Familie des Carlos‹.« – »Was Sie nicht sagen, junger Herr«, meinte Goya.
Doktor Peral bat Quintana, er möge ihnen doch ein bißchen mehr erzählen von dem Bilde. »Sie kennen es nicht?« fragte erstaunt der junge Dichter. »Auch Sie nicht, Frau Herzogin?« – »Sie müssen wissen, Don José«, antwortete freundlich die Alba, »ich bin nicht ganz freiwillig hier, ich bin aus Madrid verbannt.« – »Wo hab ich meinen Kopf, Frau Herzogin?« entschuldigte sich mit einem kleinen, netten Lachen Quintana. »Natürlich haben Sie das Bild nicht gesehen. Aber man kann es nicht mit Worten schildern, niemand kann es«, und sogleich schilderte er es, schwärmend von der Flut der Farben und von dem Realismus der Köpfe, die nackt, hart und häßlich daraus hervortauchten. Er sprach, als ob Goya nicht da wäre. »Ein besonderer Kunstgriff des Malers ist es«, erklärte er, »daß er auf dem figurenreichen Bild nur so wenigHände zeigt. Dadurch tritt die Nacktheit der Gesichter über dem Gestrahle der Uniformen und Galakleider doppelt scharf heraus.« – »Wenn man mir mehr bezahlt hätte«, sagte trocken Goya, »dann hätte ich mehr Hände gemalt. Für Hände nehme ich hohe Preise.« Der junge Dichter aber fuhr fort: »Wir alle hatten schon geglaubt, Spanien sei vergreist. Da kam Francisco Goya und hat uns gezeigt, wie jung es noch ist. Er ist der Maler der Jugend, Francisco Goya.« – »Na, na«, meinte Goya; er saß in seinem Sessel, dicklich, die Schultern ein wenig schlaff, an die Fünfzig, schlecht hörend und auch sonst vielfach beschädigt, und es war ein wenig seltsam, daß Quintana ihn den Maler der Jugend nannte. Allein niemand lachte. Und Quintana schloß: »Die letzten Bilder Don Franciscos haben es erwiesen: diesem Lande war es vergönnt, drei ewige Meister hervorzubringen, Velázquez, Murillo, Goya.«
Miguel, der fanatische Sammler, schmunzelte innerlich, daran denkend, daß er fünf gute Goyas besaß, und er scherzte: »Das sehe ich schon, der Erlaß des Dritten Carlos, der die Ausfuhr der Velázquez und der Murillos verbietet, reicht nicht aus: wir müssen deinen Namen beifügen, Francisco.«
»Dabei hatte es Velázquez viel leichter«, überlegte laut Quintana. »Er hat König und Adel von ganzer Seele verehrt, und das war das gegebene damals, das Natürliche. Er konnte, er mußte innerlich einverstanden sein mit seinem König und seinem Hof. Den Gedanken der Monarchie zu verherrlichen war ihm die höchste Aufgabe des spanischen Künstlers, und er mußte selber Aristokrat sein, mußte sich zugehörig fühlen, um sein künstlerisches Ziel zu erreichen. Unser Goya hingegen ist durch und durch unaristokratisch, und das ist das Rechte für heute. Er schaut seinen König mit genauso scharfen Augen an wie Velázquez, aber es ist ein Stück Majo in ihm, er ist ein Velázquez aus dem Volke, und seine Malerei hat etwas erfrischend Brutales.« – »Sie nehmen’s mir hoffentlich nicht übel, Don José«, antwortete gemütlich Goya,»wenn ich Sie unaristokratisch und brutal an den alten Spruch erinnere: ›Drei Haare hab ich mir ausreißen lassen; beim vierten werde ich unangenehm.‹« Quintana lachte, und man sprach von anderem.
Cayetana, später, sagte
Zu Francisco, seine Freunde
Seien sehr gescheit, doch könnte
Von den beiden keinen sie sich
Zum Cortejo denken, auch den
Jungen nicht. »Merkwürdig«, über-
Legte sie naiv und ohne
Dran zu denken, daß vielleicht sie
Goya kränken könnte, »wirklich
Seltsam: sehr gescheite Menschen,
So wie dein Miguel und dein Quin-
Tana oder mein Peral, die
Haben niemals rechten Reiz für
Mich.«
35
Die Anwesenheit der Herzogin von Alba, der berühmtesten Frau Spaniens, erregte die Caditaner, und alle bewarben sich um ihre Gesellschaft. Die Herzogin war in Trauer; das war ihr ein bequemer Vorwand, nach Belieben zu empfangen oder abzuweisen.
Spöttisch nahm Francisco wahr, wie unsicher die stolzen Bürger von Cádiz vor Doña Cayetana wurden, und mehr als die andern – mit grimmigem Vergnügen beobachtete es Francisco – war der kühne, gelehrte und gelassene Señor Sebastián Martínez aufgerührt.
Unter dem Vorwand, mit ihm über die Bilder für die Santa Cueva sprechen zu wollen, hatte ihn Martínez mehrmals in der Casa de Haro aufgesucht. Francisco hatte nicht umhinkönnen,ihn der Herzogin vorzustellen. Señor Martínez war bei Hofe empfangen worden, große Herren bemühten sich um seine Gunst, sein unermeßlicher Reichtum
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