Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
ist eine sehr glückliche Prophezeiung. Du brauchst dich nur nicht als Maja malen zu lassen, dann wirst du hundertfünfzig Jahre alt.« – »Da ich es beschlossen habe«, sagte sie, »werde ich mich als Maja malen lassen. Das weiß Brígida so gut wie wir beide.« – »Übrigens, was hat sie denn angehabt, deine Brígida?« fragte Francisco. Cayetana, überrascht, antwortete: »Sie war angezogen wie eben eine Zofe.« Dann aber brach sie aus: »Wie sie angezogen war! Du fragst wie die Inquisition.« Francisco, friedfertig, erwiderte: »Ich bin Maler. Wenn ich was nicht sehen kann, existiert es nicht für mich. Ein Gespenst, das ich nicht malen kann, ist kein richtiges Gespenst.«
Hatte sich Doktor Peral schon in Cádiz im Hintergrund gehalten, so löschte er sich jetzt vollends aus, wann immer er annahm, er sei nicht erwünscht. Im übrigen bewährte er sich als lustiger und gescheiter Gesellschafter und ließ es sich angelegen sein, Goya zu zeigen, mit wieviel Kennerschaft er ihnbewundere. Francisco konnte es kaum begreifen, daß ein Mann, der beim Tode des Herzogs eine so finstere Rolle gespielt hatte, so gleichmäßig heiter und zufrieden war. Wahrscheinlich dünkte sich dieser bei allem bescheidenen Gewese so überhebliche Mann berghoch erhaben über das Volk und glaubte, seine Wissenschaft erlaube ihm, was der blöden Masse nicht erlaubt war. Wenn er am Tod des Herzogs beteiligt war, und er war es, dann hatte er, was er tat, kühl und bedenkenlos getan, und keine leise Ahnung war ihm gekommen, daß in den Winkeln Dämonen hocken könnten und zuschauen.
Als ihn damals Peral darum bat, hatte es Goya höhnisch abgelehnt, ihn zu porträtieren. Jetzt fühlte er sich versucht, den unheimlichen, trotz seines starkzügigen Gesichtes so undeutlichen Mann zu malen, um sich über ihn klarzuwerden. Eines Tages, mit Anlauf, bot er’s ihm an. Der überraschte Peral scherzte: »Die Preise des Señor Martínez kann ich aber nicht bezahlen.« Goya, lächelnd, antwortete: »Ich würde auf das Porträt setzen: A mi amigo.« Es war dies aber die Formel, mit der ein Maler ein Geschenk zu bezeichnen pflegte, und ein Porträt solcher Art von Goyas Hand zu besitzen, wärmte dem leidenschaftlichen Sammler Peral das Herz. Sein gehaltenes Gesicht rötete sich. »Sie sind sehr generös, Don Francisco«, sagte er.
Goya malte lange und beflissen an dem Porträt, er malte es in jenem silbrig grauen Licht, das ihm allein zugehörte und das durch seine Zartheit das Finstere unterstrich, das der Maler hinter dem klugen, gelassenen Gesicht des Arztes vermutete. Goya ließ nicht zu, daß Don Joaquín irgendwas versteckte; er setzte ihn so, daß beide Hände sichtbar waren. »Was? Auch noch die Hände schenken Sie mir?« scherzte Peral. Gerade die Hände aber, die den Mann Cayetanas umgebracht hatten, wollte Goya malen.
In übrigen verliefen die Sitzungen sehr angenehm. Peral war gesprächig, er gab sich offen, wenngleich immer ein Hintergründiges blieb, ein nicht zu Enträtselndes, und Goya waran dem Manne tief interessiert, ja, er gewann ihn lieb, so sehr ein gelegentlicher Blick, eine gelegentliche Geste ihn abstießen. Es entstand zwischen den beiden eine sonderbare Freundfeindschaft; sie fühlten sich einander verbunden, sie wollten einander ergründen, es machte ihnen Spaß, sich scharfe Wahrheiten zu sagen.
Da Goya nicht über Cayetana sprach, nannte auch Peral nicht ihren Namen. Wohl aber war mehrmals von Dingen der Liebe im allgemeinen die Rede. Einmal fragte der Arzt den Maler, ob er gehört habe von dem Unterschied, den die alten Philosophen machten zwischen einem Hedoniker und einem Erotiker. »Ich bin ein unwissender Malermeister, Doktor«, sagte gutmütig Goya, »und Sie ein Tertuliante, ein dreimal weiser Tullius Cicero. Bitte, belehren Sie mich.« – »Ein Hedoniker«, erläuterte Peral, »ist einer, der nur sich allein Genuß verschaffen will; der Erotiker aber will Lust geben, wenn er Lust empfindet.« – »Sehr interessant«, sagte Goya, ein wenig unbehaglich; er wußte nicht, ob Peral die Alba im Sinne habe. »Der Philosoph Kleanthes«, fuhr Peral fort, »lehrt: ›Wehe dem, der in den Schoß einer Hedonikerin fällt‹, und wem solches zustößt, dem empfiehlt er als Heilmittel, er solle sich flüchten in eine große, allgemeine Sache, in den Kampf für Freiheit und Vaterland. Das klingt gut; aber als Arzt bezweifle ich, daß es hilft.«
Natürlich sprach Peral während dieser Sitzungen auch viel von der Kunst.
Weitere Kostenlose Bücher