Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
haben. Er malte sie in ihrem kostbaren, grellen Kostüm, und er malte sie schon jetzt nackt unter dem durchsichtigen Stoffe. Da lag sie auf dem zur Lust bereiteten Lager, auf mattgrünen Polstern, die Arme griffen hinterm Kopf zusammen, das linke Bein war angezogen, der rechte Oberschenkel lag weich auf dem andern,und er betonte das Dreieck des Schoßes. Er hieß sie etwas Schminke auflegen, und er malte ihr Gesicht; es war aber nicht ihr Gesicht, vielmehr gab er ihr ein anonymes, vieldeutiges Gesicht, wie nur er es malen konnte, es war das Gesicht einer einzelnen und einer jeden.
Cayetana freute sich des stolzen Wettbewerbs, in den sie sich da eingelassen hatte. Sie hatte es erreicht: Francisco malte sie als Maja; die Serafina, die Maja Majada, das Urbild der Maja, hatte ihn vergeblich zu ihrem Gala-Bett eingeladen.
Er malte in dem Zimmer, für welches die Bilder bestimmt waren. Das Licht, das von links kam, war das richtige für die bekleidete Maja. Die unbekleidete aber malte er auf dem flachen Dach des Aussichtsturmes, des Mirador; denn hier bewirkte die Brüstung, daß das Licht so fiel, wie er’s brauchte. Die Dueña, überaus mißbilligend, stand Wache, man war geschützt. Trotzdem war, was sie da taten, gewagt; denn Unternehmungen solcher Art blieben nun einmal nicht auf die Dauer verborgen.
Goya malte verbissen. Er spürte, sie verbot ihm die Serafina, sie wollte ihm mehr sein als die Serafina. Auch mehr Maja als die Serafina. Aber das konnte sie nicht haben. Eine böse Lust stieg in ihm hoch. Wie sie da vor ihm lag, war nicht mehr er ihr Pelele, sondern war endlich sie sein Spielzeug. Was da auf seiner Leinwand entstand, war keine Maja. Und wenn Geburt und Reichtum ihr alles gaben, was Spanien geben konnte: aus dem Volke blieb sie ausgeschlossen, sie war immer nur armselige Grandin. Sie wurde nicht zur Maja, wie immer sie es anstellte. Und gerade wenn sie sich die letzte Hülle abriß, war sie’s nicht.
Seine Gedanken kehrten sich ab von der Frau im Fleische, wandten sich seinem Werke zu. Er wußte nicht, ob es Kunst war, was er da trieb. Was hätte Luján, sein Lehrer in Saragossa, dazu gesagt! Luján hatte ihn wohlbekleidete Gipsstatuen abzeichnen lassen, er war Zensor der Inquisition gewesen. Sicher war, was er hier machte, meilenweit entfernt von jener wunschlosen, interesselosen Kunst, von der die Mengsund Miguel schwärmten. Aber, carajo!, er wollte nicht wetteifern mit dem toten Velázquez, und so war nun einmal seine Doña Desnuda. Er malte in dieser bekleideten und in dieser unbekleideten Nackten alle Frauen, mit denen er je zusammengelegen war, im Bett und im Winkel. Malte einen zu allen Lüsten aufstachelnden Leib. Und dazu zwei Gesichter: voll von Erwartung und Lüsternheit das eine, leer geradezu vor Begierde, und den Blick hart, lockend, gefährlich; das andere ein wenig schläfrig, langsam erwachend aus gestilltem Verlangen, schon durstig nach neuer Erfüllung. Was er malen wollte, war keine Alba und war keine Maja. Es war die Lust schlechthin, die nie zu stillende, mit ihrer dumpfen Seligkeit und ihren Gefahren.
Die Bilder waren fertig. Cayetana schaute unsicher von dem einen zum andern. Die Frau im Torero-Kostüm hatte ein anderes Gesicht als die nackte. Beide Gesichter waren die ihren und doch nicht die ihren. Warum hatte Francho nicht ihr wirkliches Gesicht gemalt?
»Sie haben was Einzigartiges gemacht, Don Francisco«, sagte sie schließlich, »etwas Beunruhigendes.« Sie riß sich los. »Aber so üppig bin ich wirklich nicht«, sagte sie gespielt neckisch.
Dann, mit Hilfe der Dueña,
Hängten sie die beiden Bilder
An die Wand, und vor der nackten
Lag die andre Maja. »Meine
Gäste werden schon vor dieser
Große Augen machen«, meinte
Sie. Dann nochmals, kindisch mit dem
Mechanismus spielend, drückte
Sie den Knopf, und nochmals sichtbar
Ward die nackte Maja. Schwarz und
Steif in Abscheu, hartverkniffner
Lippe, stand die Alte. Lächelnd
Deckte Cayetana ihre
Nacktheit mit dem bunten Bild der
Andern Maja wieder zu, und
Lächelnd, ausgestreckt den Zeige-
Finger, überm kleinen Leib den
Großen, schönen Kopf erhoben,
Leichten Schrittes, gnädig ihrem
Goya winkend, daß er folge,
Ging die Herzogin von Alba
Aus dem Raum.
37
In Sanlúcar traf ein Gast ein, Don Juan Antonio Marqués de San Adrián.
Goya war verstimmt. Er kannte den Marqués seit langem, er hatte ihn gemalt, es war eines seiner besten Porträts geworden. Vor eine freie Landschaft hatte er ihn
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