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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Besonders bewunderte er Franciscos Technik, sprechende Augen zu malen. »Ich bin Ihnen da auf Ihren Trick gekommen«, sagte er. »Sie machen das Weiße des Auges kleiner als die Natur und die Iris größer.« Und da Goya erstaunt hochsah, erklärte er: »Der gewöhnliche Durchmesser der Iris beträgt elf Millimeter, Ihre Menschen haben eine Iris von dreizehn Millimetern. Ich habe nachgemessen.« Goya wußte nicht, ob er lachen sollte.
    Ein andermal sprach Peral von dem Greco. Er bedauerte, daß König Philipp den Greco nicht genügend begriffen habe. Wieviel mehr Meisterwerke wären entstanden, wenn Philippdem Meister seine Gunst bewahrt hätte. »Ich würde nicht«, sagte er, »wie es jener begeisterte junge Dichter tat, Velázquez, Murillo und Goya die drei größten spanischen Meister nennen. Mir sind die größten: der Greco, Velázquez und Goya.« Goya antwortete freimütig, ihm sei der Greco fremd; er sei ihm zu manieriert aristokratisch, zu unspanisch. »Wahrscheinlich«, meinte er, »hat unser Don José Quintana recht. Ich bin Spanier, ich bin Bauer, ich male brutal.«
    Dann war das Bild fertig. Von der Leinwand blickte aus großen, skeptischen, etwas stechenden Augen ein gescheiter, ja, bedeutender und unheimlicher Peral auf den Beschauer. Mit sorgfältigem Pinsel signierte Francisco: »Goya a su amigo Joaquín Peral«. Peral schaute zu. »Danke, Don Francisco«, sagte er.
    Aus Jerez kam ein Brief, ungelenk geschrieben; die Serafina brachte sich in Erinnerung. »Ich werde vielleicht auf ein paar Tage nach Jerez gehen«, sagte Goya zu Cayetana, »und die Serafina malen.« – »Ist es nicht bequemer«, antwortete sie, »du läßt sie hierherkommen?« Sie sprach gelassen, beiläufig; aber hinter ihren Worten war ein spitzbübisch wohlwollendes Einverständnis, das ihn aufbrachte. »Es war nur so eine Idee, die mir durch den Kopf ging«, sagte er. »Wahrscheinlich werde ich weder hingehen noch sie herkommen lassen. Aber«, setzte er bösartig hinzu, »sie wäre die ideale Maja. Wenn ich jemals wieder eine Maja male, dann sie.«
    Als er kurz darauf um die übliche Stunde zu Cayetana kam, fand er sie auf dem Diwan liegend in einem Kostüm, wie es im vorigen Winter bei Kostümfesten oft getragen worden war. Es war ein Gewand aus dünnem, kostbarem, weißem Stoff, mehr Torero- als Maja-Tracht, halb Hemd, halb Hose; sich faltig um den Körper schmiegend, enthüllte es ihn mehr, als es ihn verbarg. Dazu trug Cayetana eine Bolero-Jacke, stark gelb, geschmückt mit schwarzen, schillernden Metallplättchen, die ein Schmetterlingsmuster darstellten; ein breiter, rosafarbener Gürtel hielt das Kleid zusammen. So lag sie, die Hände hinterm Kopf verschränkt.
    »Wenn du die Serafina als Maja malen wolltest«, fragte sie, »wäre diese Pose und dieses Kostüm das rechte?« – »Nun ja«, antwortete er, es war weder Ja noch Nein. Die Frau, die auf dem Diwan lag, war eine reizvolle Dame, auf gewagte Art als Maja verkleidet; doch hätte in einer Schenke der Manolería kein Mensch sie für eine Maja genommen, und Francisco konnte sich wohl vorstellen, daß er Cayetana, doch nicht, daß er die Serafina so malte. »Wenn du eine solche Maja maltest«, fragte sie weiter, »würdest du sie in Lebensgröße malen?« Er, etwas verwundert, erwiderte: »Es ist das erste Mal, daß du an Technischem interessiert bist.« Sie, ein wenig ungeduldig, sagte: »Heute bin ich es.« Er gab lächelnd Auskunft: »Ich denke, ich würde dem Bild drei Viertel Lebensgröße geben.«
    Ein paar Tage später führte sie ihn in einen wenig benutzten Raum des Hauses, ein prunkvolles, etwas vernachlässigtes Schlafzimmer, das einmal einer Herrin der Casa de Haro gedient haben mochte, ihr offizielles Lever abzuhalten. An einer Wand hing ein belangloses Gemälde, ein Breitbild, eine Jagdszene darstellend. Cayetana, mittels der gleichen Vorrichtung, wie sie in der Casa de Haro in Cádiz verwandt war, ließ das Bild zur Seite gleiten. Dahinter sichtbar wurde nackte Wand, Raum für ein anderes Bild. Er stand töricht. »Begreifst du nicht?« fragte sie. »Ich möchte, daß du mich endlich als Maja malst, als wirkliche Maja.« Er starrte sie an. Hatte er sie begriffen? Die Nackte Frau des Velázquez, so hatte er ihr’s erklärt, war nicht Göttin und nicht Grandin, sie war eine Maja. »Ich möchte zwei Porträts bei Ihnen bestellen, Don Francisco«, sagte sie, »das eine als Maja im Kostüm, das andere als die wahre Maja.«
    Wenn sie es so wollte, mochte sie’s

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