Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
gestellt; da, sehr affektiert, an einen steinernen Pfeiler gelehnt, stand der junge Herr – er war gar nicht mehr so jung, er mochte Anfang der Vierzig sein, aber er schaute aus wie fünfundzwanzig mit seinem hübschen, frechen, hochmütigen Knabengesicht. Er trug Reitkostüm, weiße Weste, enge, gelbe Hosen und blauen Rock, eine Art Werther-Kostüm. Die Hand mit der Reitgerte stützte er elegant in die Hüfte, die andere, sorgfältig gemalte Hand hielt ein Buch, weder der Maler noch das Modell hätten sagen können, warum, den hohen Hut hatte er auf den Steinpfeiler gelegt. Goya hatte nichts verheimlicht von der Arroganz des hübschen, überaus verwöhnten Herrn, der, einer der ersten Granden des Hofes, schon in jungen Jahren zum Präsidenten des einflußreichen Rates von Indien ernannt worden war. Mehrmals auch hatte Goya den Marqués im Kreise Cayetanas getroffen, man nahm an, er sei einer ihrer Liebhaber gewesen. Sicher war, daß er zu den Favoriten der Königin zählte; wahrscheinlich hatte ihn die Alba auf kurze Zeit zu ihrem Cortejo gemacht, um Doña MaríaLuisa zu ärgern. Der Marqués de San Adrián war gescheit und ungewöhnlich gebildet, er hatte lange in Frankreich gelebt, galt als sehr fortschrittlich und war es wohl auch. Aber wenn er mit seiner sehr hohen, etwas schleppenden Knabenstimme eine seiner zynischen, affektierten, geistreichen Bemerkungen von sich gab, dann kratzte das Goya, und er hatte Mühe, nichts Grobes, Plumpes zu erwidern.
Der Marqués war von natürlicher Liebenswürdigkeit. Er sei gekommen, erklärte er, um Doña Cayetana aufzuwarten; denn er habe ihre Abwesenheit vom Hofe nicht länger ertragen können. Aber ein zweiter, beinahe ebenso wichtiger Grund sei sein dringlicher Wunsch, Don Francisco möge, nun er in der Nähe von Sevilla sei, eine Sitzung des Rates von Indien malen. »Wir entbehren Sie, mein Lieber«, sang er mit seiner etwas quäkenden Stimme. »Sie wissen, wir können nicht oft genug porträtiert sein, und wenn Sie uns darben lassen, dann müssen wir unsere Zuflucht nehmen zu braven Leuten wie Ihrem Kollegen Carnicero, und dann werden unsere Gesichter noch leerer, als sie sind.«
Der Marqués war bemüht, nicht zu stören. Er nahm an den Mahlzeiten teil und war bei Cayetanas Lever zugegen; seine Anwesenheit war eher anregend als lästig. Cayetana behandelte ihn leicht ironisch wie einen vorwitzigen Jungen, ihre Verbindung mit ihm war offenbar abgelebt. Jedenfalls konnte Francisco Cayetana nach wie vor allein sehen, wann immer er wollte.
Eines Abends, bei Tische, geriet er in ein Gespräch mit Peral über Kunstdinge; die beiden andern beteiligten sich nicht. Da, während er sprach, fing er einen Blick auf von Cayetana zu San Adrián. Es war ein schräger Blick, wie er ihn der Maja gegeben hatte, sie äugte hinüber zu Don Juan, auffordernd, wartend, begehrlich. Der Blick dauerte keine zwei Sekunden. Vielleicht bildete er ihn sich nur ein. Gewiß bildete er ihn sich ein; er befahl sich, den Blick zu vergessen. Aber er konnte den begonnenen Satz nur mit Mühe beenden.
Des Nachts sagte er sich, das sei alles Unsinn, Cayetana seiihm mit seiner Doña Desnuda in eines verflossen, dergleichen geschah ihm zuweilen. Dann wieder sagte er sich, es sei so gut wie gewiß, daß Cayetana früher mit San Adrián geschlafen habe, und warum sollte er gekommen sein, wenn nicht, um die alte Freundschaft aufzuwärmen? Und sicherlich nicht war er gekommen ohne ihr Einverständnis. Alles war klar, und er war der Dumme, der Pelele. Er stellte sie sich vor, wie sie mit San Adrián zusammenlag, dem Stutzer, dem arroganten Gecken, jetzt, gerade jetzt, während er sich schlaflos in Qual verzehrte. Und dann zeigte sie ihm die Doña Desnuda, und San Adrián mit seiner ekelhaften Stimme stellte fest, wieviel Schönes an ihr Francisco nicht gesehen hatte.
Das alles war Unsinn. Er war einfach ein eifersüchtiger Narr. Er hatte Grund zur Furcht. Er war alt und dicklich und hörte schlecht, und sein Rücken begann sich zu krümmen, das war besonders schimpflich für einen Aragonesen; auch war er von unbeherrschter Laune und grämlich. Cayetana war »chatoyante«, das hatte die alte Marquesa richtig gesehen. Selbst wenn er jung gewesen wäre und strahlend schön, hätte sie vielleicht plötzlich die Lust an ihm verloren und einen andern vorgezogen. So wie er jetzt ausschaute, war es klar, daß sie lieber mit dem jungen, schlanken, geistreichen, immer heitern Stutzer lag. Trágalo,
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