Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
perro.
Hirngespinste. Hatte sie nicht den Marqués blutig verhöhnt wegen María Luisa? Hatte sie ihm nicht deutlich gezeigt, daß er, Francisco, ihr Cortejo war? Aber dieser schräge Blick, den hatte er sich nicht eingebildet, der kam nicht von der »Doña Desnuda«, der kam von den harten, metallischen Augen der lebendigen Cayetana. Sie hatte unbeteiligt dreingeschaut im nächsten Moment, aber sie wechselte wie das Katzenauge, nichts an ihr war echt und greifbar. Es lag nicht an ihm, daß er Cayetana nicht hatte malen können, auch Velázquez hätte sie nicht malen können, niemand konnte sie malen. Auch ihre Nacktheit konnte man nicht malen, selbst ihre Nacktheit war verlogen. Und ihr Herz war geschminkt wie ihr Gesicht. Sie war von Grund auf böse. Ein Vers klangihm auf aus einer alten Romanze, welche Pepa gerne sang: »Im schönen Busen ein häßliches Herz.«
Am nächsten Morgen malte er. Denn jetzt endlich hatte er die wahre Cayetana gesichtet. Er ließ sie hinfliegen durch die Lüfte; mit ihr, unter ihr, gleich Wolken, die sie trugen, schwebten drei Mannsgestalten. Dieses Mal aber gab er den Zügen der Frau nichts Anonymes. Dieses reine, hochmütige, ovale Gesicht konnte nur einer Frau auf Erden gehören, Cayetana de Alba, und deutlich kennbar auch waren die Gesichter der Männer; der Stierkämpfer Costillares war der eine, der andere der Präsident des Rates von Indien San Adrián, der dritte Don Manuel Príncipe de la Paz. Von der Erde aber schaute grinsend eine Mißgestalt dem Fluge zu, der uralte Hofnarr Padilla. Es war eine Himmelfahrt, die Francisco da malte, doch es war eine höchst verruchte Himmelfahrt, und ihr Ziel war sicherlich nicht der Himmel. Die Frau über den Männerköpfen hielt innerhalb des weiten, wallenden, vom Fluge gebauschten Gewandes die Beine gespreizt. Sehr wohl mochte man dieser Schwebenden alle sieben Todsünden zutrauen. Sehr wohl mochte dieses Gesicht, ohne auch nur die Lippen zu regen, Weisung gegeben haben, den harmlosen Gatten umzubringen, weil der, vielleicht, hätte stören können. Ja, endlich hatte er’s gesehen, endlich es erfaßt, und dieses war ein für allemal ihr letztes Gesicht, das wahre, reine, hochmütige, tiefverlogene, tiefunschuldige, tieflasterhafte Gesicht Cayetanas, dies war die fleischgewordene Lust, Lockung, Lüge.
Am nächsten Tag zeigte sich Cayetana nicht. Die Dueña entschuldigte sie bei den Herren. Ihr weißes Hündchen Don Juanito war erkrankt, sie trauerte, sie konnte niemand sehen. Goya malte weiter an der »Himmelfahrt«, an der »Lüge«.
Den Tag darauf war das Hündchen wieder gesundet und Cayetana strahlender Laune. Goya war einsilbig, sie nahm es nicht übel, sie versuchte mehrmals, ihn ins Gespräch zu ziehen. Allmählich aber, da er ihr nicht entgegenkam, kehrte sie sich San Adrián zu, der auf seine liebenswürdige, kindlichschmeichelnde Art auf sie einsprach. Er brauchte ein französisches Zitat, sie erwiderte französisch, sie glitten ins Französische. Peral, hin- und hergerissen von Schadenfreude zu Mitleid, suchte das Gespräch ins Spanische zurückzulenken, die beiden sprachen weiter französisch, ein geschwindes Französisch, dem Goya nicht zu folgen vermochte. Schließlich wandte sich Cayetana an Francisco, immer französisch, abgelegene Worte gebrauchend, die er nicht verstand. Sichtlich wollte sie ihn vor San Adrián bloßstellen.
Nach dem Abendessen erklärte sie, sie sei heute vergnügt und wolle noch nicht zu Bett, sie wolle noch was unternehmen. Sie wolle ihre Leute kommen lassen, daß sie Fandango tanzten. Ihre Zofe Fruela tanze ausgezeichnet, auch der Reitknecht Vicente sei nicht schlecht. Es geschah öfters, daß sich Granden die Langeweile ihrer Gesellschaften vertrieben, indem sie ihr Gesinde tanzen ließen.
Es traten fünf Paare an, willens und fähig, Fandango zu tanzen, an die zwanzig andere kamen, um zuzusehen, Leute aus dem Gesinde, Pächter, Bauern. Es hatte sich die Kunde verbreitet, daß man Fandango tanze, da konnte ohne Förmlichkeit ein jeder zuschauen. Die Leute tanzten weder gut noch schlecht, aber der Fandango war ein Schauspiel, das, wenn auch ohne viel Kunst ausgeführt, alle mitriß. Zuerst saßen die Zuschauer ernst und hingegeben, dann aber traten sie den Boden, stampften, klatschten im Takt in die Hände, schrien Olé. Es tanzte jeweils nur ein Paar, doch immer neue fanden sich, die vortraten, das tanzende Paar abzulösen.
Cayetana sagte: »Wollen Sie nicht tanzen, Francisco?« Für einen
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