Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
gegen das befreundete Portugal unternehme.
Es besaß nämlich die englische Flotte in den portugiesischen Häfen Stützpunkte, und die Franzosen, unter Berufung auf den Allianzvertrag, verlangten, Spanien solle von Portugal die Schließung dieser Häfen erwirken. Immer von neuem, mit widerwärtiger Logik, forderte der französische Gesandte, der Bürger Truguet, Spanien solle, falls Portugal sich weigere, die Schließung der Häfen mit Waffengewalt erzwingen. Nun war es gewiß verlockend, über das kleine, wehrlose Nachbarland herzufallen und sich einen Sieg zu holen. Aber der Prinzregent von Portugal war der Schwiegersohn des Katholischen Königs, Carlos und María Luisa wollten nicht mit der eigenen Tochter Krieg führen. Überdies hatte Portugal ihm, Don Manuel, noble Geschenke gemacht; Manuel hatte denn auch den Krieg mit England durch stillschweigendes Einverständnis beinahe einschlafen lassen.
Die portugiesische Frage war nicht seine einzige Sorge. Längst vergessene Affären wie die mit der magern Geneviève, der Tochter des royalistischen Gesandten de Havré, lebten peinlich wieder auf. Nach seiner Ausweisung aus Spanien hatte sich nämlich der Marquis mit seiner Tochter nach Portugal geflüchtet, er lebte dort von einer Unterstützung ausdem Geheimfonds des Katholischen Königs. Der lästige Franzose, der vulgäre, taktlose Bürger Truguet, hatte davon Wind bekommen und stellte nun die unverschämte Forderung, Manuel solle nicht nur jede weitere Verbindung mit dem »abenteuernden Royalisten« abbrechen, sondern überdies von dem Prinzregenten von Portugal seine sofortige Ausweisung erwirken.
Da lehnte er also im Wagen, der Príncipe de la Paz, der schlechte Nachgeschmack der Geschäfte von San Ildefonso war noch in ihm, und auf ihn warteten die unerfreulichen Verhandlungen in Cádiz. María Luisa hatte mehrere ihrer Günstlinge in leitende Stellungen der dortigen Kriegsflotte geschoben, die Herren brachten nichts mit als hohe Titel und die Gunst der Königin, und sehr fähige Offiziere, diesen Stümpern unterstellt und von ihnen behindert, drohten mit Rücktritt. Alles ringsum war unbehaglich.
Nicht alles. Je näher Don Manuel der Hauptstadt kam, so mehr verdunsteten die peinlichen Gedanken. Er beschloß, einen Tag länger in Madrid bei Pepa zu bleiben. Er wird vergessen, daß ihm das Schicksal die Leitung des spanischen Reiches aufgebürdet hat, er wird während dieser Tage nicht Staatsmann sein, sondern ein schlicht sich seines Lebens freuender Don Manuel.
Es kam anders.
Pepa hatte Wochen gereizter Langeweile hinter sich. Francisco war fort; seit Wochen, Monaten, seine Karriere gefährdend, teilte er das Exil der Alba. Bitterkeit im Herzen erwog sie, wie heißer Leidenschaften er fähig war und mit wie geringem Bedauern er sie dem Manuel überlassen hatte. Und Manuel selber! Er machte große Worte um seine Liebe zu ihr: aber die meiste Zeit war er in San Ildefonso oder in Aranjuez oder im Escorial und ließ sie allein, und wenn er kam, kam er verstohlen. Es war eine gereizte, mürrische Pepa, die Manuel empfing.
Sie forderte ihn auf, mit ihr zum Stiergefecht zu gehen, zu der Corrida des Pedro Romero. Er erwiderte seufzend, amSonntag müsse er längst auf dem Wege nach Cádiz sein. »Ist es zuviel«, fragte sie, »wenn ich Sie bitte, zwei Tage länger bei mir zu bleiben?« – »Es ist mir nicht leichtgefallen, chérie«, erwiderte er, »die drei Tage für Sie frei zu machen. Ich habe einen Krieg zu führen, neben andern dringlichen Geschäften. Bitte, bürden Sie mir nicht noch mehr auf!« – »Ich werde Ihnen sagen, warum Sie nicht mit mir zu der Corrida wollen«, antwortete Pepa. »Sie schämen sich meiner. Sie wollen sich nicht mit mir zeigen.«
Manuel versuchte, ihr Vernunft zuzureden. »Begreifen Sie doch!« bat er ungeduldig. »Ich habe wirklich höllisch viel auf den Schultern. Ich soll Portugal zwingen, die Beziehungen mit England abzubrechen – ich soll den Prinzregenten von Portugal schonen. Ich soll sechs vertrottelte Granden aus der Flotte wegschicken – ich soll drei vertrottelte Granden mehr in die Armada einstellen. Dazu schickt mir Truguet schon die zweite unverschämte Note: ich soll den Marquis de Havré aus Lissabon ausweisen lassen. Sie werden in Cádiz sowieso saure Gesichter machen, daß ich zwei Tage zu spät komme, und da verlangen Sie, ich soll noch über den Sonntag hierbleiben! Begreifen Sie doch meine Schwierigkeiten!« – »Ihre Schwierigkeiten«, antwortete
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