Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
eindeutig: »Ich bitte Sie, Sire, mein Amt in Ihre Hände zurücklegen zu dürfen.«
Carlos war bestürzt. »Das kannst du mir doch nicht antun, mein Lieber«, klagte er. »Ich begreife deinen spanischen Stolz. Aber María Luisa hat es bestimmt nicht bös gemeint. Das renke ich schon wieder ein. Geh, mein lieber Infant, sei doch nicht so!« Und da Manuel fest blieb, sagte er, den großenKopf schüttelnd: »Das hat sich nun so gut eingelaufen. Am Abend, wenn ich von der Jagd komme, kommt ihr, entweder ihr beide, oder auch du allein, und ihr sagt mir, was vorgeht, und ich unterschreibe und mache meinen Schnörkel. Wie soll ich denn Vertrauen haben, wenn da ein anderer kommt? Ich kann es mir gar nicht vorstellen.« Er saß trübe da. Auch Manuel schwieg.
»Aber wenigstens«, hob nach einer Weile der König wieder an, etwas belebter, »mußt du mir einen Rat geben, wer dein Nachfolger werden soll.«
Manuel hatte diese Aufforderung erwartet und sich einen Plan zurechtgelegt, so schlau, kühn und unbedenklich, daß er ihn nicht einmal mit seinem Miguel zu bereden gewagt hatte; denn dieser war oft von tugendhaften Skrupeln heimgesucht. Manuel wollte dem König nämlich vorschlagen, die beiden entscheidenden Regierungsposten Männern entgegengesetzter politischer Richtung anzuvertrauen. Er rechnete damit, daß dann immer der eine versuchen werde, Maßnahmen durchzuführen, der andere, sie zu durchkreuzen; so also, daß die Innenpolitik der Regierung lahmgelegt bleibe. Die Majestäten würden sich dann bald nach einem Retter umschauen müssen; Retter aber gab es nur einen .
Manuel riet also dem König, einen Liberalen zum Ersten Staatssekretär, zum Minister für Gnade und Justiz aber einen Ultramontanen zu ernennen; auf solche Art sei der König sicher, in dieser schwierigen Zeit keine der beiden großen Parteien zu verstimmen. »Keine üble Idee«, meinte Don Carlos. »Aber wird die Königin einverstanden sein?« – »Sie wird«, beruhigte ihn Don Manuel; denn das hatte er natürlich bedacht, und er nannte dem König die beiden Männer, die er im Sinne hatte. Mit jedem der beiden hatte Doña María Luisa geschlafen, jedem hatte sie sichtbare Zeichen ihres Wohlwollens gegeben.
Der eine war Don Mariano Luis de Urquijo. Er hatte lange in Frankreich gelebt, hatte mit französischen Philosophen verkehrt, französische Bücher übersetzt, in der ÖffentlichkeitVoltaire zitiert. Doña María Luisa, obwohl radikalem Liberalismus abgeneigt, hatte Wohlgefallen gefunden an Urquijos kühnem Gesicht und an seinem guten Wuchs, und als das Heilige Offizium gegen ihn hatte vorgehen wollen, hatte sie ihre schützende Hand über ihn gehalten.
Der andere war Don José Antonio de Caballero. Der war ein Dunkelmann, seine politischen Ansichten waren die des Mittelalters, er unterstützte jede Forderung Roms gegen den fortschrittlichen Teil des spanischen Klerus. So radikaler Ultramontanismus war María Luisa ebensowenig sympathisch wie sein Gegenteil; doch auch Señor de Caballeros Körperlichkeit hatte den Beifall der Monarchin gefunden, sie hatte ihm eine ihrer Hofdamen zur Ehe gegeben und selber der Hochzeitsfeier beigewohnt.
Diese beiden Männer also nannte Manuel dem König.
Der nickte trüb. Dann: »Und ist gar nichts zu machen?« fragte er nochmals. »Willst du wirklich gehen?« – »Es ist mein fester, unerschütterlicher Entschluß«, antwortete Manuel. Don Carlos umarmte ihn, nassen Auges.
Dann setzte er sich hin, um seinem lieben Manuel einen tiefempfundenen Dankbrief zu schreiben.
»In den vielen Ihnen anver-
Trauten Ämtern«, schrieb er, »haben
Sie als Staatsmann und als Freund des
Friedens sich bewährt vor Spanien,
Vor der Welt und der Geschichte.
Seien meines tiefen, lebens-
Langen Dankes Sie versichert.«
Sorglich schrieb er, mit der eignen
Hand, und setzte sorglich drunter:
»Yo el Rey«, und dann den Schnörkel,
Den besondern, nur ihm eignen,
Einem Geigenschlüssel gleichend,
Und er malte diesen Schnörkel,
Seine »rúbrica«, mit solcher
Liebe, wie er sie nur einmal
Angewendet, damals nämlich,
Da die »rúbrica« er malte
Für den Escorial, auf daß sie
Dorten eingemeißelt werde
Zu den Namenszügen aller
Könige, die jemals über
Spanien herrschten.
5
Martín Zapater wohnte im Sommer in seinem Landhaus vor der Stadt, der Quinta Zapater. Er war bestürzt, als Francisco überraschend anlangte mit dem Treiber Gil und den Maultieren, und als er unter dem großen Hut des Freundes bebartetes,
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