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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Padilla wurde besiegt, aber er lebt und kämpft noch heute.«
    Francisco hatte, wenn nicht jedes einzelne Wort, so doch den Sinn dessen verstanden, was Don Gaspar verkündet hatte, und es fiel ihm schwer, ein trübes Lächeln zu verbergen. Gewiß, Padilla lebte noch heute: aber als der vergessene Hofnarr Cayetanas, als der zwerghafte, verkrüppelte Padilla der Casa de Haro in Cádiz.
    Doktor Peral sprach von dem General Bonaparte. Ohne Frage sei dieser ehrlich bestrebt, die Sache der Aufklärung überall in Europa zu fördern. Leider aber nötige ihn Don Manuels Politik, in Spanien zunächst einmal militärische Sicherungen zu suchen. Das mache böses Blut, und der Erste Konsul werde die Mißstimmung des spanischen Volkes kaum vermehren wollen durch die Befürwortung zivilisatorischer Reformen auch auf der Iberischen Halbinsel. Wie die Dinge heute lägen, werde Napoleon dem Ersten Minister in seinem Kampf gegen die Freidenker bestimmt nicht in den Arm fallen. »Und darum«, kam Peral mit der ihm eigenen Beharrlichkeit auf seine früheren Worte zurück, »würde ich an Ihrer Stelle, Don Gaspar, nicht in Spanien bleiben.«
    Die andern, besonders Don Miguel, erwarteten, Jovellanos werde den hartnäckigen Ratgeber donnernd zurückweisen. Allein Don Gaspar bezähmte sich. »Ich denke ohne Bitterkeitzurück an die Zeit meiner letzten Verbannung«, sagte er. »Die erzwungene Muße kam mir zustatten. Ich konnte jagen, konnte nach Belieben lesen, ich habe studiert und einiges geschrieben, was vielleicht nicht ganz wertlos ist. Wenn mich jetzt die Vorsehung zurück in meine Berge schickt, mag sie ihre guten Gründe haben.« Die andern schwiegen höflich, doch blieben sie skeptisch. Da dem verbannten Urquijo Tinte und Papier vorenthalten wurden, war es unwahrscheinlich, daß man Don Gaspar erlauben werde, in Asturien ein zweites Buch zu schreiben wie »Brot und Stiere«.
    »Sie sollten, meine Freunde«, tröstete Jovellanos, »über der Niederlage, die wir erlitten haben, nicht vergessen, was der edle und tapfere Urquijo erreicht hat. Schließlich ist die Unabhängigkeit der spanischen Kirche erwirkt. Schließlich bleiben ungeheure Summen, die früher nach Rom gezinst wurden, jetzt im Lande. Was bedeutet vor solchen Erfolgen das bißchen Unbequemlichkeit, das ich in Kauf zu nehmen habe?« Nun aber machte Agustín den Mund auf und sagte finster: »Da man sich erfrecht, Sie aus Madrid wegzuschicken, Don Gaspar, wird man auch nicht davor zurückscheuen, das Edikt zu widerrufen.« – »Das wagen sie nicht!« rief Jovellanos. »Sie können nicht zulassen, daß Rom von neuem über uns herfällt, uns das letzte Blut abzuzapfen. Ich sage euch, meine Freunde: sie wagen es nicht! Sie widerrufen das Edikt nicht!«
    Die andern hörten gerne die tröstlichen Worte, aber in ihrem Innern waren sie bekümmert über die Naivität des Jovellanos. Sogar Francisco, der sich nicht viel mit politischen Dingen befaßte, war sich klar darüber, wie kindisch es war, daß Don Gaspar der Welt nach soviel übeln Erfahrungen noch immer so wenig Schlechtigkeit zutraute.
    Er beschaute das Porträt an der Wand, das er gemalt hatte, als Jovellanos noch nicht alt und er selber sehr jung gewesen war. Ein schlechtes Porträt. Hätte er ihn heute zu malen, dann würde er spüren machen, daß Don Gaspar bei all seinem banal-pathetischen Wesen mehr rührend war als komisch. Da blieb er also wirklich sitzen im Bereich des mächtigen Feindes,statt schleunigst die Pyrenäen zwischen sich und ihn zu legen. Noch immer nicht hatte er gelernt, daß man, wenn man für ein Ziel kämpfen will, zunächst einmal am Leben bleiben muß. Und trotzdem war des Jovellanos Dummheit keine verächtliche Dummheit; ja, Goya bewunderte beinahe die Starre, mit welcher Don Gaspar seiner Moral nachlebte.
    Plötzlich merkte er, daß Jovellanos zu ihm sprach. »Es ist jetzt an Ihnen, Don Francisco«, sagte er, »hier in Madrid meinen Platz zu übernehmen. Die Machthaber von heute sind merkwürdig blind vor Ihren Bildern und merken nicht, wieviel diese ausrichten im Kampf gegen die Dunkelmänner und Ausbeuter. Sie müssen sich die blinde Gunst des Königs und seiner Granden zunutze machen. Sie dürfen sich nicht drücken, Goya. Sie müssen der verlotterten Zeit den Spiegel vorhalten. Wollen Sie es nur, und Sie werden der Juvenal dieses Hofes und dieser Stadt sein.«
    Nichts lag Goya ferner. Es drängte ihn, die hochtrabenden Sätze Don Gaspars, seine unverschämte Zumutung, mit kräftigen

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