Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
zu malen, mit den Insignien des Generalissimus; ihm schwebe, hatte er erklärt, so etwas vor wie das Gemälde des David vom Alpenübergang des Generals Bonaparte. Goya stellte demzufolge Don Manuel in glänzender Uniform dar, auf dem Schlachtfeld, nach erfochtenem Siege auf einer Rasenbank rastend, eine Depesche in der Hand.
Als Rasenbank diente bei den Sitzungen ein bequemes Sofa. Darauf räkelte sich der Infant, schwatzend. Goya spürte keine Nachsicht mehr für den mächtigen Gönner, er nahm wahr, daß sich nicht nur sein Gesicht und sein Leib, sondern auch sein Inneres verfettet hatte. Er dachte an die rohe Gleichgültigkeit, mit welcher Manuel das Leben der Infantin Doña Teresa zerbrochen hatte, dachte an die niederträchtige Rache, welche er an seinem Gegner Urquijo nahm dafür, daß sich dieser als der bessere Mann bewährt hatte. Denn man hielt den früheren Ersten Sekretär eingesperrt ineiner feuchten, dunkeln Zelle der Festung Pamplona, gab ihm ungenügende Nahrung, verweigerte ihm Papier und Tinte. An dies alles denkend, malte Goya zwar den ganzen Glanz des Generalissimus, doch auch seine Faulheit und Verfettung, seinen mürrisch blasierten Hochmut. »Je höher der Affe klettert, so deutlicher zeigt er den Steiß«, dachte er das alte Sprichwort.
Manchmal war Pepa bei den Sitzungen zugegen. Sie fühlte sich zu Hause in Aranjuez, sie war Hofdame der Königin, sie hatte gute Beziehungen zu ihr, bessere zu Carlos, es gab kaum mehr einen Gipfel, den sie noch hätte ersteigen können, rings um sie war blaue Höhe. Daß Goya sie als Engel gemalt hatte in der Florida, schien ihr eine Bestätigung der Rolle, die sie noch immer in seinem Gemüte spielte. Sie forderte ihn auf, sich ihren kleinen Sohn anzuschauen. Francisco hatte Freude an Kindern, lächelte dem Kleinen zu, gab ihm seinen Finger, daß er damit spiele. Pepa sagte: »Er hat Zutrauen zu Ihnen, Don Francisco. Er lacht übers ganze Gesicht.« Und: »Findest du nicht, daß er dir ähnlich sieht?« fragte sie plötzlich.
Das Bild Don Manuels war fertig; er und Pepa besichtigten es.
Da saß Don Manuel, zurückgelehnt auf seiner kleinen Erderhöhung, in vollem Schmuck seiner Kriegsausrüstung, er glitzerte von Gold, der Christus-Orden blitzte ihm vom Gehänge des Degens. Zur Linken flatterte schlaff eine eroberte portugiesische Fahne; Pferde und Soldaten bewegten sich schattenhaft im Hintergrund. Klein hinter Manuel war sein Adjutant, der Conde Tepa. So, unter einem bleifarbenen, tragischen Himmel, saß der Feldherr, offenbar müde vom Siegen, leicht gelangweilten Gesichtes seine Depesche lesend; sehr sichtbar waren die gepflegten, fleischigen Hände.
»Er sitzt so unnatürlich«, äußerte Pepa, »aber sonst ist er sehr ähnlich. Du bist wirklich etwas dick geworden, Infant.« Manuel ging darauf nicht ein. Das Bild war das Gemälde eines Mannes und seines Erfolges. So saß, so kleidete sich, so schaute nur ein Mann, der Macht hatte. »Ein ausgezeichnetesBild«, rühmte er. »Ein echter Goya. Schade, daß ich nicht die Zeit habe, Ihnen für ein zweites Bild zu sitzen, mein Freund und Maler. Aber«, seufzte er, »das Regieren nimmt jetzt meinen ganzen Tag in Anspruch.«
Er hatte in der Tat viel zu tun. Da er nämlich, behindert durch den General Bonaparte, Europa seine Macht nicht zeigen konnte, wollte er sie wenigstens die Spanier fühlen lassen. Wollte ihnen zeigen, daß jetzt ein anderer Mann am Steuer saß als Urquijo, ein Mann, der sich von dem gottlosen Frankreich nicht einreden ließ in seine Politik. Don Manuel regierte also gegen die Liberalen und näherte sich immer mehr dem reaktionären Adel und dem ultramontanen Klerus.
Miguel Bermúdez, auf seine sachte Art, suchte zu mildern, warnte mit Schmeicheleien, mit klugen, leisen Argumenten. Manuel aber wollte nicht hören, ja, er ließ ihn merken, daß er seine Ratschläge als lästig empfand. Manuels Beziehung zu Miguel hatte sich geändert. Er hatte in peinlichen Verlegenheiten Miguels Hilfe anrufen müssen, er wollte nicht daran erinnert sein. Daß sich sein Sekretär jetzt in der Sache mit Lucía so unmännlich benommen hatte, gab dem Infanten den innern Vorwand, sich den Dank zu schenken.
Trotz seines Gleichmuts traf es Miguel schwer, daß ihm Manuel entglitt. Miguels Leben war ohnedies voll von Unruhe und Sorge. Lucías Rückkehr hatte ihm statt der erwarteten Befriedigung nur neue Verwirrung gebracht. Jetzt zettelte sie sogar mit Manuel Intrigen, aus denen sie ihn ausschloß und von
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