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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Jovellanos aber war ihm die Begeisterungverflogen. Er saß müßig in seiner Ermita, das Gespräch bei Don Gaspar wollte ihm nicht aus dem Kopf, er stritt im Geiste mit den andern. Was wollten sie eigentlich von ihm? Sollte er sich hinstellen zu den Proyectistas auf der Puerta del Sol und den Leuten aufrührerische Bilder zeigen? Begriffen sie denn gar nicht, die Jovellanos und Quintana, daß Märtyrer nutzlos sind? Seit dreihundert Jahren jetzt haben sie sich schinden und foltern und umbringen lassen für den gleichen Zweck, und was haben sie erreicht? Mag der Alte in seinen asturischen Bergen stillsitzen und warten, bis die Grünen Boten der Inquisition kommen und ihn holen: er, Francisco, läßt sich nicht die Vernunft von falschem Mute umnebeln. A tuyo tú! Kümmere du dich um deines!
    Aber er kam nicht los von dem, was bei Jovellanos gesprochen worden war. Er dachte an Don Manuel, wie sich der faul, übersatt und arrogant auf dem Sofa geräkelt hatte, welches das Schlachtfeld hatte bedeuten sollen, er dachte an die Infantin, wie sie aus großen Augen in die unbegreiflich scheußliche Welt gestarrt hatte, zart und gebrechlich.
    Mit einem Male, die Unterlippe weit vorgeschoben, saß er wieder am Tisch und zeichnete. Aber keine Frauen dieses Mal, keine großen Damen, keine Petimetras und Majas und Kupplerinnen, auch nichts Hintergründiges, Vieldeutiges, sondern simple Zeichnungen jetzt, die ein jeder verstehen mußte.
    Da lehrte ein großer, alter Esel einen kleinern, jüngeren mit würdigem Eifer das Abc; da spielte ein Affe einer entzückten alten Eselin auf der Guitarre vor, und ihr Gefolge klatschte begeistert; da studierte ein vornehmer Esel das Register seiner Ahnen, und es waren Esel auf ein Jahrtausend zurück; da malte ein kleiner, beflissener, geschickter Affe einen stolzen, glänzenden Esel, und von der Leinwand schaute ein Kopf, nicht ohne Porträtähnlichkeit und doch mehr Löwe als Esel.
    Goya prüfte, was er gemacht hatte. Es war zu brav, zu simpel, zu sehr im Sinne seiner Freunde. Und er zeichnete zweigroße, schwere Esel, die zwei tiefgebückten Männern auf den brechenden Rücken saßen. Er lächelte böse. »Tú que no puedes, llévame a cuestas. Du, der du’s nicht kannst, trag mich und meinen Wanst.« Das war schon besser. Da sah man, wie Adel und Geistlichkeit den geduldigen Spaniern auf dem Rücken hockten.
    Sich politische Wirkung zu versprechen von derlei Gekritzel, das war natürlich Unsinn. Aber es tat wohl, solche Dinge aufzuzeichnen, es machte Spaß.
    In der nächsten Zeit war er viel in der Ermita, arbeitend mit stiller Hitze. Er hatte bisher für seine Zeichnungen und Radierungen keinen Namen gehabt, nun nannte er sie »sátiras«, Satiren.
    Auch Frauen zeichnete er wieder, doch mit mehr Bosheit jetzt und mit weniger Mitleid. Da war ein liebelndes Paar, und zu Füßen der Verliebten waren zwei winzige, modische Schoßhunde, ebenso beschäftigt wie das Liebespaar. Da war vor einer riesigen Steinmasse ein Verliebter, verzweifelt angesichts seiner toten Geliebten. Aber war sie wirklich tot? Blinzelte sie nicht, um sich seiner Verzweiflung zu erfreuen?
    Immer tiefer hinein jetzt in das Leben, welches er aufzeichnete, spielten die Dämonen. Menschliches, Himmlisches, Teuflisches ging verwirrend ineinander, inmitten des bizarren Gemisches schritten, tanzten Francisco, Cayetana, Lucía, und alles wurde zum kühnen, großartigen Spiel.
    Er zeichnete die Lust des Spieles. Zeichnete einen Satyr, gelagert auf einer Kugel, wohl der Erdkugel, und der bocksbeinige Gesell, ein großer, jovialer Dämon, vertreibt sich die Zeit mit ein wenig Akrobatik. Verträumten, vergnügten, kindischen Gesichtes hält er einen Mann hoch in stolzer Uniform und mit vielen Orden, und der Mann trägt eine riesige Perücke, die raucht und flammt, und auch in seinen Händen trägt er rauchende, flammende Fackeln. Auf der einen Seite der Erdkugel aber fällt einer herunter, mit dem zu spielen der Satyr offenbar müde geworden ist, die gespreizten Beine des Fallenden und sein Hintern ragen grotesk ins Nichts. Auchauf der andern Seite fliegt einer kopfunten in den leeren Weltraum, mit gespreizten Armen und Beinen, auch er ein verbrauchtes Spielzeug des Satyrs.
    Francisco freute sich der Vieldeutigkeit dessen, was er gemacht hatte. Er lächelte angesichts der rauchenden Perücke und der rauchenden Fackeln; denn das Wort »humear – rauchen« bedeutet auch »großtun, protzen«, und er freute sich des glücklichen,

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