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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Worten zurückzuweisen. Aber er bedachte, daß der alternde Mann in ein ungewisses Schicksal ging, und daß, wer sich selber soviel auferlegte, das Recht hatte, Forderungen auch an andere zu stellen. »Ich fürchte, Don Gaspar«, erwiderte er höflich, »Sie überschätzen die Wirkung meiner Kunst. Die Regierung weiß, wie geringen Einfluß meine Bilder haben, darum schreitet sie nicht ein. Und wenn der König und die Granden zulassen, daß ich sie so male, wie sie sind, dann tun sie es aus Hoffart. Sie glauben sich so groß, daß sie durch keine Wahrheit kleiner werden, ob ein Hofnarr sie ihnen sagt oder ein Hofmaler sie ihnen malt.«
    Aber: »Sie tun sich selber unrecht, Don Francisco«, rief stürmisch Quintana. »Was wir Schriftsteller geben können, ist gepflegtes Kastilianisch, das einigen Gebildeten gut in die Ohren klingt. Ihre ›Familie des Carlos‹ aber, Ihre Fresken in der Florida erreichen die Herzen aller. Idioma Universal.«
    Francisco sah Quintana freundlich an, doch antwortete er nichts. Auch gab er sich nicht länger Mühe zu verfolgen, wasdie andern sagten. Vielmehr beschaute er wieder sein Bild des Jovellanos, und es war ihm leid, daß Don Gaspar fort mußte und keine Zeit mehr war, ein neues Porträt von ihm zu malen.
    Denn erst jetzt verstand er diesen
    Mann. Dem ging’s nicht um den Sieg, dem
    Ging es um den Kampf. Er war der
    Ew’ge Kämpfer. In ihm stak ein
    Stück des Don Quijote, doch in
    Welchem Spanier stak das nicht? Es
    Brannte diesen Don Gaspar die
    Gier, für die Gerechtigkeit zu
    Kämpfen. Wo er Unrecht fand, da
    Mußte er einhaun. Er sah nicht,
    Daß Gerechtigkeit ein blaues
    Ziel, ein Ideal war, uner-
    Reichbar, wie das ritterliche
    Ziel des Don Quijote. Nein, er
    Mußte, Don Quijote mußte
    Reiten.

20
    Die Radierungen, die Francisco in den letzten Monaten gemacht hatte, waren Überarbeitungen jener Skizzen aus der glücklichen Zeit in Sanlúcar. Doch hatten die harmlos fröhlichen Zeichnungen von damals in der neuen Form einen andern Sinn angenommen, einen reicheren, schärferen, bösartigeren. Cayetana war längst nicht mehr nur Cayetana. Hinter der Dueña Eufemia lugte die tote Zofe Brígida vor. Die Zofe Fruela, die Tänzerin Serafina erschienen als madrilenische Majas in vielen Gestalten. Und er selber, Francisco, erschien in vielen Gestalten: bald war er ein läppischer Galan, bald ein gefährlicher Majo, beinahe immer aber der Schwärmende, der Betrogene, der Pelele, der Narr.
    So entstand ein krauses, wildes Bilderbuch, in dem aufgezeichnet war, was alles den Frauen dieser Stadt Madrid zustieß, viel Böses und einiges Gute. Sie heirateten reiche Männer von scheußlichem Aussehen, sie lockten harmlose Verliebte an, sie beuteten aus, wer sich ausbeuten ließ, und wurden ihresteils von Wucherern, Anwälten, Richtern ausgebeutet. Sie liebten und liebelten, prangten in lockenden Kleidern, und noch wenn sie uralt waren und Gesichter hatten wie Totenmasken, saßen sie vor dem Spiegel und ließen sich schminken und putzen. Sie gingen und fuhren prächtig einher und hockten jämmerlich im Armesünderkleid vor dem Inquisitor, lagen verzweifelt im Gefängnis, standen an der Schandsäule, wurden schimpflich halbnackt zur Richtstätte geführt. Und immer war um sie ein Schwarm eleganter Wüstlinge, brutaler Polizisten, gewalttätiger Majos, verschmitzter Dueñas und Kupplerinnen.
    Auch Dämonen waren um sie, nicht nur die tote Brígida, eine ganze Armee von Gespenstern, manche gemütlich, manche Grausen erregend, die meisten grotesk, bizarr. Und nichts war eindeutig, alles floß und wandelte sich vor dem Beschauer. Die Braut, die im Hochzeitszuge schritt, hatte ein zweites, tierisches Gesicht, die Alte hinter ihr wurde zur scheußlichen Äffin, aus dem Dämmer grinsten wissende Zuschauer. Und die Männer, die Begehrlichen, die Freier, flatterten herum als Vögel mit kenntlich-unkenntlichen Gesichtern, fielen herunter, wurden im Wortsinne gerupft, und waren sie gerupft, hinausgefegt. Und dem Bräutigam wurde das makellose Register der hohen, toten Ahnen der Verlobten präsentiert, er studierte es und erkannte nicht, noch nicht, das äffische Gesicht der lebendigen Braut. Sie selber erkannte es nicht. Ein jeder trug eine Maske und erschien, auch sich selber, so wie er sein wollte, und nicht, wie er war. Keiner erkannte keinen, keiner sich selber.
    Solche Zeichnungen also hatte Francisco in diesen letzten Wochen gemacht, mit Hingabe, mit grimmigem Schwung. Seit dem Abschied des

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