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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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prahlenden Hanswurstes, des Pelele, mit dem der Bocksfüßige spielt und der noch nicht weiß, wie schnell er den beiden verbrauchten Spielzeugen nachstürzen wird. Und er fragte sich, ob wohl Don Manuel der kindisch spielende Satyr war oder das vergnügte Spielzeug, der Hanswurst. Soviel war gewiß: aus dieser Zeichnung mußte auch der Einfältigste merken, daß das Glück kein hübsches, launisches Weibsbild war, sondern ein großer, jovialer, gemütlicher und in seiner Blödheit recht gefährlicher Satyr. Auch an sich selber dachte Francisco, an sein eigenes »subir y bajar«, an sein eigenes Rauf und Runter. Ihm aber konnte es nicht mehr gehen wie dem rauchenden Hanswurst. Weggeschleudert konnte er werden, aber überraschen ließ er sich von keinem Bocksbein mehr und von keinem andern Dämon. Narren ließ er sich nicht mehr. Er war vorbereitet auf alles.
    Bald sollte sich zeigen, daß seine Zuversicht törichtes Geprahl war. Der Satyr narrte ihn wie die andern.
    Aus Saragossa kam Botschaft: Martín Zapater war gestorben.
    Francisco sprach niemand von seinem Unglück, er lief in die Ermita. Saß da eine lange Weile, benommen. Wieder war ein Stück Leben abgerissen, verloren, hinunter. Jetzt gab es keinen mehr, mit dem er von dem Früher hätte reden können, mit dem er hätte lachen können über Läppisches, den er’s hätte sehen lassen können, wenn er maßlos wütend war über verdrießlichen Kleinkram, keinen, vor dem er hätte »rauchen und protzen« können nach der Lust seines Herzens. Martín tot! Der Großnas, sein Herzensmartín!
    »Daß du mir das angetan hast, du Schuft!« Er glaubte eszu denken, aber er sagte es laut. Und plötzlich, allein in seinem Atelier, fing er an zu tanzen. Inmitten der Unordnung der Kupferplatten, Pressen, Papiere, Pinsel, Stichel, der großen und kleinen Wärmebecken schritt er, tanzte er, wild und dennoch steif. Es war die Jota, jener würdige, wütige, kriegerische Tanz, der seinem und Martíns Heimatland Aragón zugehörte, es war der Abschied, die Totenfeier für Martín.
    Gegen Abend fiel ihm ein, daß er mit Cayetana verabredet war. »Die Toten ins Grab, die Lebendigen zu Tische!« sagte er vor sich hin, grimmig. Er war gegen seine Gewohnheit unordentlich angezogen, er hatte auch den Wagen nicht bestellt, und es war ein langer Weg hinauf nach Moncloa. Er ging ihn. Cayetana war erstaunt, als er so verstaubt und verwahrlost ankam, aber sie fragte nicht, und er sagte ihr nichts vom Tode Martíns. Er blieb lange bei ihr in dieser Nacht, und er nahm sie wild und gewalttätig.
    Andern Tages, in der Ermita, überkam ihn mit ganzer Kraft der alte Wahn. Er war schuld am Tode Zapaters, seine Porträts waren schuld. Und diesmal wagte er nicht, sich den Geistern zu stellen. Sie krallten sich in ihn ein, er hörte ihr stummes Gelächter.
    Lange hockte er, zerdrückt von Furcht. Dann, jäh und maßlos, packte ihn Wut. Erst gegen sich selber. Dann gegen Martín. Dieser Martín hatte sich an ihn herangemacht, sich in sein Inneres eingeschlichen, bis er ihn nicht mehr entbehren konnte, und als er unentbehrlich war, hatte er ihn verlassen und verraten. Alle waren seine Feinde; die sich als seine Nächsten gaben, die schlimmsten. Wer war er überhaupt, dieser Martín? Ein schlauer Dummkopf, ein Bankier, einer, der von Kunst soviel verstand wie das Hündchen Juanito, ein Niemand. Und wie abgründig häßlich er war! Wie durfte sich einer mit einer solchen Nase in seine Geheimnisse einschleichen und einschnüffeln! Erbost zeichnete er ihn hin, wie er vor einem Teller Suppe saß und fraß, und die große Nase wurde immer größer, und plötzlich wurde das Gesicht des gierig schmatzenden, schlürfenden, schnüffelnden Kerls etwasungeheuer Obszönes. Es war kein Gesicht mehr, es waren eines Mannes Schamteile.
    Groll und Reue schüttelten Francisco. Er versündigte sich an dem Toten! Was er da hingezeichnet hatte, war seine eigene Wüstheit, seine eigene, abgründige Gemeinheit. Weil Martín der beste Freund gewesen war und alles für ihn getan hatte, darum, aus Neid auf seine Güte, zeichnete er die eigenen, schlechten, schweinischen Gedanken in ihn hinein. Martín war von begnadeter Einfalt gewesen, darum hatten die Dämonen nicht an ihn herankönnen. An ihn, Francisco, konnten sie heran, und er war ein Narr gewesen, als er sich einbildete, er sei ihr Herr.
    Da saßen sie um ihn, gräßlich greifbar, in seine Taubheit hinein drang ihr Gekrächz, Geknurr, Gekreisch, er spürte ihren

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