Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
sich, tief, ohne Worte.
Durch die Halle schritt in eiliger Würde der Priester mit dem Allerheiligsten. Goya kniete nieder mit den andern. Cayetana wird von diesem Besuch so wenig merken wie von dem der Villabrancas und von seinem eigenen.
Das Volk von Madrid, mit Gerüchten schnell bei der Hand, erzählte auch dieses Mal sogleich, es liege Vergiftung vor, und zwar sei es die Fremde, die Italienerin, die Königin, die ihre Rivalin habe vergiften lassen. Die Scheelsucht, mit der man die Alba seit dem Tode des Herzogs angesehen hatte, verwandelte sich in Mitleid, in Liebe, Verehrung. Rührende Anekdoten gingen um, wie einfach sie mit jedermann gesprochenhabe, ohne Stolz, als sei er ihresgleichen, wie sie Stierkampf gespielt habe mit den Kindern auf der Straße, wie gern und wie reich sie jedem Bedürftigen gegeben habe, der sie darum anging.
Ganz Madrid nahm teil an ihrer Bestattung. Alles Gepränge, das geboten war bei den Trauerfeierlichkeiten für eine Dame so hohen Adels, wurde zur Schau gestellt, die Villabrancas sparten nicht, aber sie bemühten sich auch nicht, Ergriffenheit zu zeigen. Nur die gutmütige Doña María Tomasa bedauerte Cayetana, die so schön gewesen war und so früh und so schrecklich hatte dahingehen müssen. Mit Verachtung sah die alte Marquesa herab auf die ehrliche Betrübnis des Volkes. Cayetana hatte den Pöbel geliebt, der Pöbel liebte sie. Doña María Antonias Gesicht war hart und hochmütig. Nun hatte die gleiche Hand, durch welche diese Entgleiste, Verkommene ihren lieben Sohn hatte umbringen lassen, sie selber beiseite geschafft. Sie rührte, die alte Marquesa, kaum die Lippen bei den Gebeten für die Seele der Toten, und was sie sprach, waren keine frommen Wünsche.
In ihrem Letzten Willen hatte die Herzogin von Alba hohe Legate ausgesetzt für die Dueña Eufemia, die Zofe Fruela, die zahlreiche Dienerschaft ihrer vielen Güter, auch den Hofnarren Padilla hatte sie nicht vergessen. Es war ein launisches Testament. Mit Geldbeträgen, manchmal sehr hohen, waren Menschen bedacht, die sie nur flüchtig gekannt hatte. Studenten, die ihr einmal über den Weg gelaufen waren, ein halbidiotischer Bettelmönch, dem sie auf einem ihrer Güter Unterkunft gewährt hatte, ein Findelkind, das auf einem ihrer Schlösser gefunden worden war, mehrere Schauspieler und Toreros. Dem Ersten Maler des Königs Francisco de Goya y Lucientes hinterließ Doña Cayetana einen einfachen Ring, nichts sonst, seinem Sohn Javier eine kleine Rente. Dagegen erhielt ihr Arzt Doktor Joaquín Peral eine halbe Million Realen, dazu einen der andalusischen Landsitze und eine Reihe erlesener Gemälde.
Es verdroß Doña María Luisa, daß Schmuckstücke, um derenBesitz sie die Alba beneidet hatte, jetzt an Domestiken fallen sollten und an allerlei Gesindel statt an sie selber; denn entgegen dem Brauch hatte Cayetana keines ihrer Besitztümer den Katholischen Königen vermacht. Auch Don Manuel war enttäuscht. Er hatte gehofft, von dem Haupterben, dem Marqués de Villabranca, Gemälde aus den Galerien der Alba billig eintauschen zu können. Nun sollten diese Bilder in den Besitz des widerwärtigen Doktor Peral übergehen, der berüchtigt war für seine Hartnäckigkeit.
Es war sowohl der Königin wie dem Ersten Minister willkommen, als Don Luis María Marqués de Villabranca, jetzt Vierzehnter Herzog von Alba, das Testament anstritt. Doña Cayetana war vertrauensselig gewesen und ohne Geschäftskunde. Verdacht lag nahe, daß gewisse Legate, besonders die unsinnig hohen an den Arzt, an die Dueña, an die Zofe Fruela, der Erblasserin auf bedenkliche Art abgelistet worden waren. Auch der jähe Tod der Herzogin war verdächtig. Die Vermutung lag nahe, der habgierige, kunstnärrische Arzt habe sich, nachdem er sich seinen Platz in dem Testament erschlichen, durch Beseitigung der Herzogin beschleunigt zum Eigentümer der Legate machen wollen.
Die Königin nahm an, ein Prozeß gegen den Arzt werde schnell die albernen Gerüchte verstummen machen, die ihre geheiligte Person mit dem Tod Cayetanas in Verbindung brachten. Sie beauftragte Don Manuel, persönlich dafür Sorge zu tragen, daß volle Aufklärung geschaffen werde über den Tod ihrer ersten Hofdame und deren Testament.
Anklage wurde erhoben gegen Doktor Peral, die Dueña, die Zofe Fruela, zunächst wegen Captación de herencia, wegen Erbschleicherei. Die Beschuldigten wurden gefänglich eingezogen, die Hinterlassenschaft mit Beschlag belegt. Schnell war erwiesen, daß
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