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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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die Erblasserin unter unzulässiger Beeinflussung gehandelt habe. Das Testament wurde für ungültig erklärt. Das Verfahren gegen die drei Verhafteten ging weiter.
    Die für ungültig erklärten Legate wurden dem Hauptteilder Erbmasse zugeschlagen, der an den neuen Herzog von Alba fiel. Dieser bat Don Manuel, sich aus den Galerien der Verstorbenen einige Gemälde auszusuchen und sie als Entgelt für seine Mühewaltung anläßlich der Regelung der Erbschaft freundlichst anzunehmen; mehrere der Gemälde freilich, an denen dem Infanten lag, waren auf rätselhafte Art verschwunden. Doña María Luisa, die so huldvoll bestrebt gewesen war, den geheimnisvollen Tod Doña Cayetanas aufzuklären, wurde von dem neuen Herzog von Alba ehrerbietigst gebeten, sie möge geruhen, einige Schmuckstücke aus der Hinterlassenschaft der teuren Verblichenen als Andenken entgegenzunehmen.
    Bald denn hingen von den Bildern
    Cayetanas manche in den
    Galerien des Infanten.
    Und am Hals der Königin, an
    Ihren Armen, ihren Händen
    Glänzten Spangen, Ringe aus dem
    Hochberühmten Schmuck der toten
    Herzogin von Alba.

27
    Die Freunde konnten Goya nicht dazu bewegen, sich mit ihnen über den Tod Cayetanas auszusprechen. Schon fürchteten sie, er werde in seinen schwarzen Wahn zurückfallen. Allein er blieb verschont.
    Finster, wortkarg ging und saß er herum in den kahlen Räumen der Quinta. Er versuchte, sich Cayetana zurückzurufen. Es gelang nicht. In ihm war nur das Bild der Wächsernen, Sterbenden, die sich eingeschlossen hatte in sich selber und in ihren übeln Geruch. Mit letzter Tücke hatte sie sich gesträubt, die Augen aufzumachen. Sein Groll über die Untiefenihres Wesens war schwächer geworden in den Monaten vor ihrem jähen Tode; nun sie nicht mehr da war, überkam es ihn mit neuer Heftigkeit.
    In seinem weiten Garten ging er spazieren, würdig, den Bolívar fest auf den Kopf gedrückt, mit seinem schönen Rohrstock, aragonisch aufrecht, grimmig grübelnd. Cayetana war nicht mehr da, schlechthin nicht mehr da, er wußte es. Er glaubte nicht an den Himmel und die Hölle der Pfaffen, sein Himmel und seine Hölle waren von dieser Welt. Da Cayetana nicht mehr auf dieser Erde war, war sie nicht mehr da.
    Nichts mehr von ihr war da, und das war seine Schuld. Seine Porträts waren traurige, armselige Schatten, die nichts aussagten von ihrer Herrlichkeit; selbst des Agustín stümperhaftes Bildnis gab mehr von ihr. Seine, Franciscos, Kunst hatte versagt. Am deutlichsten blieb noch, was er von ihr in den Caprichos festgehalten hatte. Aber da hatte er nur das Hexenhafte festgehalten, und von ihrem Leuchtenden, Zauberischen war nichts in seinen Zeichnungen und nichts in seinen Bildern.
    »Die Toten machen den Lebendigen die Augen auf«, sagten die Leute. Die tote Cayetana machte sie ihm nicht auf. Er begriff sie nicht, begriff sie jetzt nicht, hatte sie niemals begriffen. Und sie niemals ihn. So fremd war keine andere Frau vor seiner Kunst gestanden. »Geschmacklos und barbarisch.« Vielleicht waren es die Caprichos, die sie dazu verleitet hatten, ihren Entschluß zu ändern und das Kind von ihm umzubringen, eh sie es in die Welt setzte.
    Er versuchte, ihr gerecht zu werden. Gewiß, vom ersten Augenblick an hatte sie ihn gehaßt, aber vom ersten Augenblick an, von dem Moment an, da er sie auf ihrer Estrade sichtete, hatte auch er sie gehaßt. Niemals war er mit ihr fertig geworden und wird es niemals werden. Immer, auch in den glühendsten Minuten, war seine Leidenschaft mit Haß vermengt gewesen. Cayetana hatte dem vermeintlich Schlafenden Worte der Liebe gesagt: er konnte nicht einmal der Toten sagen, er habe sie geliebt.
    Er weinte, rollende, schamlose, unwürdige Tränen, über sich und über sie. Sie schwemmten nichts hinweg, nichts von seinem Haß und nichts von seiner Liebe.
    Es war niederträchtig von ihm, die Tote zu beschimpfen, die Wehrlose. Er bekreuzte sich vor dem Holzbild der Virgen de Atocha, eben dem, welches von Cayetana in jener ersten Nacht mit der Mantilla verschleiert worden war, damit die Hochheilige ihr Treiben nicht sehe. Er betete: »Und vergib ihr ihre Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern.« Sogar seine Gebete waren niederträchtig; denn er vergab ihr nicht.
    Es war kahl in ihm wie in der Quinta. Bisher war sein Leben übervoll gewesen von immer neu andrängenden Süchten und Geschäften. Nun zum ersten Mal spürte er Langeweile. Nichts reizte ihn, kein Vergnügen, Frauen nicht, Essen und Trinken nicht,

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