Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
drängte sich nicht auf.
Später dann hatte Manuel sie vor die schamlosen Bilder geführt und ihr die Herzogin in dem frechen Torerokostüm gezeigt und dann dahinter die nackte Herzogin. Die Obszönitäten der Alba und des gottlosen Francho hatten sie abgestoßen, aber es trieb sie immer wieder vor das Bild, und sie hatte den Leib ihrer Nebenbuhlerin oft, lange und kennerisch beschaut. Nein, sie brauchte den Vergleich nicht zu scheuen; keiner wird es verstehen, daß Francho diese lüsterne, schamlose, affektierte Frau ihr hatte vorziehen können.
Bei Lucías Tertulia dann hatte sie leider keine Gelegenheit gehabt, ein offenes Wort mit Francho zu sprechen. Nun aber hatte er ihre und Manuels Hilfe angerufen für die Veröffentlichung seiner Radierungen, und da die Sorge um die Verhandlungen in Amiens Manuel keine freie Minute ließ, übernahm sie das Geschäft, sich diese gefährlichen Caprichos anzuschauen.
Sie fuhr hinaus zu der Quinta, unangemeldet, gespannt, nicht ganz ohne Befangenheit. Sie erklärte Francisco die Ursache ihres Besuches, er hörte höflich zu.
Es traf sich gut, daß Don Agustín nicht da war. So waren sie und Francho wieder einmal zusammen wie in alten Tagen, und da es ihm nicht unlieb schien, daß sie ohne Manuel gekommen war, hielt sie es für angezeigt, ihm einige freundschaftliche Offenheiten zu sagen. »Du siehst nicht so gut aus, Francho, wie ich es wünschte«, begann sie. »Diese Sache hat dir übel mitgespielt. Es hat mir sehr leid getan, als ich vondeinem Unglück erfuhr. Aber ich hatte es immer gewußt, daß sie dir nicht gut bekommen werde, deine Herzogin.« Er schwieg. Das Porträt der Alba, das einzige Gemälde in dem kahlen Raum, brachte sie auf. »Malen können hast du sie auch nicht«, fuhr sie fort. »Ganz unnatürlich steht sie da. Und wie sie den Zeigefinger ausstreckt, das wirkt fast komisch. Das war immer so: wenn zwischen dir und deinem Modell was nicht stimmte, dann hast du auch kein richtiges Porträt zustande gebracht.«
Goya schob die Unterlippe vor. Wieder sah er in seinem Innern diese dumme, unverschämte Pute vor der Nackten Cayetana stehen, zusammen mit dem Dummkopf, ihrem Zuhälter. Er hatte heftiges Verlangen, sie zu packen und die Treppe hinunterzuwerfen. Aber gute Gründe hießen ihn an sich halten. »Wenn ich recht verstanden habe, Gräfin«, sagte er, »sind Sie gekommen, um sich im Auftrag des Infanten meine Radierungen anzuschauen.« Er sprach sehr höflich. Die Gräfin Castillofiel fühlte sich zurechtgewiesen.
Er brachte die Caprichos. Sie schaute sie an, und er sah sogleich: sie verstand. Jetzt war sie bei der Folge der aristokratischen Esel. Ihr Gesicht wurde hochmütig. Goya witterte die Gefahr. Sie hatte große Gewalt über Manuel; es stand bei ihr, ihn mit Manuel zu entzweien, ihn zu verderben, die Caprichos für immer in der Truhe zu begraben. Aber: »Du bist eigentlich übermenschlich frech, Francisco«, war alles, was sie sagte; der Hochmut war von ihrem Gesicht geschwunden, sie bewegte den schönen Kopf ganz leise von einer Seite zur andern, beinahe lächelnd.
Er hatte doch das rechte Gefühl gehabt seinerzeit, als er sich mit ihr zusammentat.
Große Freude machte ihr das Blatt »Hasta la muerte – Bis zum Tode«, auf dem die Uralte zu sehen war, die sich vor dem Spiegel schmückt; offenbar erkannte sie die Königin. Wenn sie in der einen oder andern der kläglichen und üppig stolzierenden Majas und Petimetras sich selber erkannte, so ließ sie es nicht merken. Wohl aber zeigte sie, daß sie die Albaerkannte. »Grausam bist du auch, Francisco«, sagte sie. »Ich wußte es. Diese Radierungen sind sehr grausam. Die Frauen haben es nicht gut bei dir. Wahrscheinlich hat auch sie es nicht gut bei dir gehabt.« Sie schaute ihm mit ihren grünen, trägen, schamlosen Augen voll ins Gesicht, und er sah: wiewohl es die Frauen nicht gut bei ihm hatten, wäre sie willens gewesen, es noch einmal mit ihm zu versuchen.
Eigentlich gefiel sie ihm, wie sie hier vor ihm saß, prangend im Fleische. Auch war es anständig von ihr, daß sie zu ihm hielt gegen Manuel.
Er spürte etwas von der lässigen, lau behaglichen Lust ihrer früheren, unverbindlichen Zusammengehörigkeit. Es wäre nicht unangenehm, einmal wieder diese weiße, glatte, füllige, vernünftige, romantische Pepa im Bett zu haben. Aber er hatte Scheu vor aufgewärmten Gerichten. »Was vorbei ist, ist vorbei«, sagte er vage; sie mochte es auf das beziehen, was sie über seine Grausamkeit zu
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