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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Grundsatz »Eine Unze Friede ist besser als eine Tonne Sieg« neue Ehre zu machen. Die Gold- und Silberflotten aus Amerika werden wieder unbehindert einlaufen, Geld und Jubel wird überall in Spanien sein, und er wird das Verdienst davon haben. Unter solchen Umständen wird es ihm nicht schwerfallen, Miguel Großmut zu bezeigen; auch dürften ja, wenn Miguel den Baum von Amiens schüttelt, noch viel herrlichere Früchte herunterfallen.
    Kaum also hatte er Doña Lucía die Hand geküßt, so ging er stürmisch auf den sehr aufrecht dastehenden Miguel zu, klopfte ihm die Schulter, versuchte, ihn zu umarmen. »Wie freut es mich«, rief er, »wieder einmal dein Gesicht zu sehen! Mir ist, als hättest du mir bei unserm letzten Zusammensein einige Offenheiten gesagt, Grobheiten geradezu, und auch ich habe mich wohl nicht sehr diplomatisch ausgedrückt. Ichhabe den Unsinn vergessen. Vergiß auch du ihn, Miguelito!« Miguel hatte sich vorgenommen, seine Gefühle im Zaum zu halten, er hatte zu diesem Zweck lange in seinem Machiavell gelesen. Trotzdem versperrte er sich und sagte steif: »Es stak einiger Sinn inmitten des Unsinns, der damals geäußert wurde.« – »Du weißt doch selber«, redete der Infant weiter auf ihn ein, »in welcher Zwangslage ich war. Aber die Dinge haben sich geändert. Laß erst Friede dasein, und du wirst es erleben, wie schnell wir die Pfaffen, die Frailucos, zurückgedrängt haben. Mach kein so saures Gesicht, Miguel! Ich brauche dich in Amiens! Du darfst mir und Spanien diesen Dienst nicht verweigern.« – »Ich zweifle nicht, Don Manuel«, erwiderte Miguel, »daß Sie heute entschlossen sind, liberale Politik zu machen. Aber wie immer der Friede aussehen wird, ich fürchte, zuletzt wird er doch nur dem Papst, dem Großinquisitor und ein paar wölfischen Granden zugute kommen.«
    Don Manuel schluckte den Verdruß hinunter über Miguels Widerstand und Mißtrauen. Sprach von den großartigen fortschrittlichen Unternehmungen, die er beabsichtige. Er werde die lange geplanten Flußregulierungen durchführen, werde landwirtschaftliche Musteranstalten errichten und große Laboratorien. Auch an die Gründung von drei weiteren Universitäten denke er. Selbstverständlich werde er die Zensur erleichtern, sie vielleicht ganz abschaffen. »Bring du mir einen guten Frieden nach Hause«, rief er, »und du wirst sehen, wie Spanien blühen wird in der Sonne der Aufklärung.« Er ließ seinen dunkeln Tenor tönen. Alle hörten zu.
    »Wunderbare Pläne«, sagte Miguel, er sprach trocken, sachlich, der Spott war kaum herauszuhören. »Ich fürchte, Don Manuel«, fuhr er fort, »Sie unterschätzen die Widerstände, gegen die Sie zu kämpfen haben. Sie haben doch wohl keine ganz klare Vorstellung, wie dreist in diesen letzten Monaten das Heilige Offizium geworden ist. Heute überlegt es sich sogar ein Francisco Goya, ob er gewisse wunderbare Zeichnungen veröffentlichen kann.«
    Manuel, überrascht, wandte sich an Goya. »Stimmt das, Francisco?« fragte er. Und: »Was sind das für Zeichnungen?« fiel Pepa ein. Manuel, gutmütig grollend, fuhr fort: »Warum bist du nicht zu mir gekommen, du hinterhältiger Bursche?«, und er nahm Goya um die Schulter und zog ihn an einen Tisch. »Von diesen Zeichnungen mußt du mir mehr erzählen«, sagte er. Pepa ließ es sich nicht nehmen, sich zu ihnen zu setzen.
    Goya hatte gemerkt, wie geschickt Miguel die Falle für Manuel gestellt hatte, und er freute sich des Riesenspaßes, in welchen nun das gefährliche Abenteuer einmünden sollte.
    Seine Freude dauerte nicht lange. Manuel nämlich, ihn vertraulich in die Rippen stoßend, Pepa anblinzelnd, sagte: »So, mein Lieber, und jetzt bekenne: hast du wieder einmal eine nackte Venus gemalt?«, und er grinste übers ganze Gesicht.
    Goya erinnerte sich der Andeutungen des Señor Martínez über das Schicksal der beiden Bilder, die er damals in Sanlúcar gemalt hatte. Jetzt hatte er die Lösung. Dem faunischen Gesicht Manuels, dem gelassenen, leise spöttischen der Pepa konnte er ablesen, was mit den Bildern geschehen war. Offenbar waren sie bei der Inventuraufnahme des Nachlasses gefunden worden, man hatte hinter der Bekleideten Cayetana die Nackte entdeckt, wahrscheinlich jetzt war dieses Bild im Besitze Manuels, und dieser deutete Miguels Worte so, daß er, Francisco, neuerdings Ähnliches gezeichnet habe und darum in Furcht sei vor der Inquisition.
    Er stellte sich vor, wie die beiden, Manuel und Pepa, vor dem Bilde standen, mit

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