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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gemeinen Augen den Leib Cayetanas abtastend, durch den Anblick die eigene Lust schürend. Zorn füllte ihn vom Haar bis zu den Sohlen. Es kostete ihn Mühe, nicht loszuschreien.
    Pepa sah, mit Angst und Freude, wie sich ihm der Blick schwärzte. Manuel aber mißdeutete seinen Unmut. »Ja, Don Francisco«, hänselte er ihn mit plumper Schalkhaftigkeit, »wir sind Ihnen auf die Schliche gekommen. Sie haben’s ja faustdick hinter den Ohren. Kein Franzose hätte das bessermachen können. Aber Sie brauchen keine Angst zu haben. Die Bilder sind an einen Kenner gekommen, an einen Mann, der die Macht hat, Sie vor der Inquisition zu schützen. Beide Damen, die vorher und die nachher, hängen jetzt in meiner Galerie, und genauso, wie sie in der Casa de Haro gehangen sind.«
    Francisco, mit Anstrengung, bezähmte seinen Groll; ja, er schmunzelte beinahe. Er dachte daran, daß es diesem unflätigen Dummkopf bestimmt war, sich nun sogleich zum Protektor der Caprichos aufzuwerfen und selber das Gerüst zu schlagen, auf dem seine Gemeinheit zur Schau gestellt werden sollte. Er, Francisco, wird seine Ruhe wahren, er wird sich die süße, dunkle Rache nicht verderben.
    Pepa saß da, schön, weiß und gelassen, ganz Gräfin Castillofiel. Sie hatte bisher geschwiegen. Nun aber brach die Freude durch, daß Francisco auf eine Gunst von ihr angewiesen war. »Was sind das für Zeichnungen, Don Francisco«, erkundigte sie sich freundlich, »die Sie da gemacht haben? Ich bin sicher, der Infant wird Sie schützen, wenn Sie sie veröffentlichen.« Und: »Sind es Zeichnungen in der Art der Venus?« fragte begierig Don Manuel. »Nein, Hoheit«, erwiderte trocken Francisco. »Es sind nur ganz wenige Blätter erotischer Natur in der Sammlung.« Manuel, ehrlich erstaunt, leicht enttäuscht, fragte: »Aber warum dann haben Sie Angst?« – »Meine Freunde«, erläuterte Francisco, »raten mir von der Veröffentlichung ab, weil einige der Radierungen Gespenster darstellen, die Kutten und Soutanen tragen. Ich glaube, die Sammlung als Ganzes ist sehr lustig. Ich nenne sie ›Caprichos‹.« – »Sie haben schon immer so merkwürdige Einfälle gehabt, Don Francisco«, meinte Pepa. Goya, als hätte sie nicht gesprochen, fuhr fort: »Großinquisitor Reynoso ist kein Freund meiner Kunst.« – »Mich mag der Reynoso auch nicht«, sagte lärmend Manuel. »Auch ich habe seinethalb einige meiner Projekte zurückstellen müssen. Aber mit diesen Rücksichten wird es bald vorbei sein.« Er stand auf, stützte beide Hände auf den Tisch, er hatte sich erhitzt, erverkündete: »Unser Freund Goya wird nicht mehr lange warten müssen, der Welt seine kuttentragenden Gespenster zu zeigen. Du brauchst mir nur den Vertrag von Amiens zu bringen, Miguel. Dann ist die Zeit da. Hast du verstanden, Francisco?« fragte er, schallend, den tauben Mann. Francisco hatte ihm aufmerksam auf den Mund geschaut. »Ich habe verstanden: die Zeit ist da – ya es hora«, sagte er. »Sí, Señor«, antwortete lachend, klingend, Manuel. »Ya es hora.« Und Agustín, vergnügt, schollerig lärmend, wiederholte: »Ya es hora.«
    »Nun aber möchten wir uns diese gefährlichen Gespenster auch anschauen, Don Francisco«, verlangte Pepa. Und: »Ja, jetzt bin ich wirklich neugierig«, stimmte Manuel bei. Er schlug Francisco die Schulter, erklärte lärmend: »Und daß du’s nur weißt: deine Gespenster und Caprichos werden veröffentlicht, auch wenn sie den Großinquisitor an seinem roten Mantel zupfen. Ich stell mich vor dich hin, und dann wollen wir sehen, wer sich herantraut. Nur ganz kurze Zeit warten mußt du noch, ein paar Monate, vielleicht nur Wochen, bis der Friede da ist. Der da kann ihn beschleunigen, wenn er nur will«, sagte er und wies auf Miguel.
    Er stand auf, er schleifte Goya
    Zu Miguel hinüber, er um-
    Faßte beider Schultern. »Heute
    Ist ein guter Abend«, rief er,
    »Und wir müssen auf den Frieden
    Trinken! Du, Miguel, du gehst nach
    Amiens. Und du, Francisco,
    Zeigst der Welt deine Caprichos,
    Allen Pfaffen und Gespenstern
    Groß zum Trotz und unsrer span’schen
    Kunst zum Ruhm. Ich aber halte
    Schützend meine Hände über
    Dich.«

30
    Als Pepa vom Tode der Alba gehört hatte und von den merkwürdigen Umständen, die ihn begleiteten, hatte sie zuerst schmerzlichen Triumph verspürt und Goya einen Trostbesuch abstatten wollen. Aber Lucía war mehrmals in der Ermita gewesen, und sie, Pepa, hatte er kein einziges Mal aufgefordert hinzukommen; die Gräfin Castillofiel

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