Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Freundschaft zu versichern.
Don Diego hatte sich zu Doña Lucía gesetzt, er glaubte, die Menschen, er glaubte, Doña Lucía zu kennen. Sie hatte viel erlebt, sie mußte blasiert sein, sie war am Ziel: eine Frau wie sie zu gewinnen, war schwierig. Aber er war Wissenschaftler, Philosoph, Theoretiker, und er hatte sich sein System, seine Strategie zurechtgelegt. Wenn manchmal Doña Lucía leisen, schwer deutbaren Hohn zeigte, wo man Befriedigung hätte erwarten sollen, dann wohl, weil sie sich ihres Ursprungs bewußt und stolz auf diesen Ursprung war. Sie gehörte zur untern Volksschicht, zu den Majas, das vergaß sie nicht, darin lag ihre Stärke. Sie gaben keinem was nach, die Majos und die Majas von Madrid, sie fühlten sich alsebenso reine Spanier wie die Granden, vielleicht als reinere. Der Abate hielt diese große Dame Lucía Bermúdez für eine heimliche Revolutionärin, die in Paris ihre Rolle gespielt hätte, und darauf baute er seinen Plan.
Er wußte nicht, ob Don Miguel Staatsgeschäfte mit ihr beredete, nicht einmal, ob sie daran interessiert sei. Doch er tat, als wäre es sie, die von ihrer Estrade, von ihrem Salon aus die Geschicke Spaniens leitete. Die ersten, tastenden Schritte auf dem Wege zum Frieden hatten wenig Erfolg gehabt; Paris war mißtrauisch. War es nicht denkbar, daß ein Geistlicher, der bei den Herren der Inquisition wohlgelitten war, und eine elegante Dame, die einen der ersten Salons Europas hatte, die Geschäfte Spaniens bei den Parisern unverbindlicher und gerade darum wirksamer sollten treiben können als die Staatsmänner des Hofes? Don Diego deutete an, daß er gewissen Einfluß in Paris habe, Zutritt zu Männern, die den andern kaum zugänglich seien. Auf vorsichtige Art, viele Galanterien einstreuend, bat er um ihren Rat, forderte er sie auf, ein Bündnis mit ihm zu schließen. Die kluge Lucía merkte wohl, daß seine Zwecke jenseits des Politischen lagen. Trotzdem schmeichelte der verwöhnten Dame das Vertrauen des gebildeten, hintergründigen Herrn und die schwierige, subtile Rolle, die er ihr anbot. Zum ersten Mal beschauten ihn ihre schrägen, vieldeutigen Augen mit ernsthaftem Interesse.
Dann aber zeigte sie Spuren von Müdigkeit, es war spät, und sie hielt auf reichlichen Schlaf. Sie zog sich zurück und nahm Pepa mit, die sich zurechtmachen wollte.
Don Manuel und Goya blieben. Sie merkten nichts von dem, was um sie vorging, sie tranken und waren mit sich beschäftigt. »Ich bin dein Freund, Francho«, versicherte der Herzog dem Maler, »dein Freund und dein Beschützer. Wir spanischen Granden waren immer Beschützer der Künste, und ich habe Sinn für Kunst. Du hast gehört, was für ein Sänger ich bin. Wir gehören zusammen, du und ich, der Maler und der Staatsmann. Du kommst von Bauern, nicht wahr, aus Aragón, man hört es an deiner Sprache. Ich habe eine adeligeMutter, aber, unter uns, ich komme auch von Bauern. Ich habe etwas Großes aus mir gemacht, und ich werde auch aus dir was Großes machen, darauf kannst du dich verlassen, mein Francho. Wir sind Männer, du und ich. Es gibt nicht mehr viele Männer hierzulande; ›Spanien erzeugt große Männer, aber es verbraucht sie rasch‹, so heißt es im Sprichwort, und so ist es. Das kommt von den vielen Kriegen, da bleiben nur mehr wenige übrig. Du und ich, wir sind übriggeblieben. Darum streiten sich auch die Frauen um uns. Granden gibt es bei Hofe hundertneunzehn; Männer gibt es nur zwei. Mein Vater hat mich immer gerufen: ›Manuel, mein Stierlein.‹ Stierlein hat er mich genannt, und recht hat er gehabt. Aber der Toreador für diesen Stier ist noch nicht gekommen, der muß erst geboren werden. Ich sag dir was, Don Francisco, mein Francho: Glück muß man haben. Haben muß man es, es kommt nicht zu einem. Glück ist eine Eigenschaft, wie die Nase, wie das Bein, wie der Arsch und alles andere; man hat es oder man hat es nicht. Du bist mir sympathisch, Francho. Ich bin ein dankbarer Mensch, und dir bin ich zu Dank verpflichtet. Ich hab kein schlechtes Aug von Natur, aber richtig sehen gelehrt hast erst du mich. Wer weiß, ob mir ohne dein Bild die Viudita über den Weg gelaufen wäre? Und wer weiß, ob ich ohne dein Bild die Göttin in dieser Frau erkannt hätte? Wo ist sie denn? Es scheint, sie ist nicht da. Das macht nichts, sie kommt wieder. Von mir geht das Glück nicht fort. Ich sage dir, die ist richtig, diese Señora Josefa Tudó. Sie ist die Richtige für mich. Aber du weißt es ja, ich brauche es dir
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