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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Weiberaffären«, sagte er feindselig. »Sie haben noch eine Menge zuzulernen, und Ihre Zeit wird kurz. Wenn Sie es weiter so treiben, dann wird alles, was Sie gemacht haben, Stückwerk sein, und Sie selber nichts als ein abgebauter Schacht.« – »Nur so fort«, antwortete Goya leis und böse. »Heute höre ich gut, heute kann ich einmal deine Meinung ganz hören.« – »Du hast ein unwahrscheinliches, unverdientes Glück«, erwiderte, nicht faul, Don Agustín. »Der König sitzt dir und sitzt dir nochmals und zeigt sich dir in seinem Wams und läßt seine Uhren für dich ticken. Und was fängst du an mit dieser einmaligen Möglichkeit, ganz in den Mann hineinzuschauen? Hast du in das Gesicht deines Carlos hineingemalt, was wir Patrioten darin sehen? Blind infolge leerer Sinnlichkeit, siehst du nicht einmal, was jeder Laie sieht. Qué vergüenza. Weil Carlos freundlich mit dir gesprochen hat über die Schinken von Estremadura, hältst du ihn für einen großen König und malst zu seinem Staatsfrack und seinem Goldenen Vlies ein würdiges Gesicht.« – »So«, sagte Goya, immer noch auffallend ruhig. »Jetzt hast du deines gesagt. Und jetzt schicke ich dich nach Hause, und auf dem ältesten Maultier, das in San Lorenzo aufzutreiben ist.«
    Er erwartete eine wüste Antwort. Er erwartete, Agustín werde fortlaufen, die Tür hinter sich zuknallend, daß der ganze Escorial dröhnte. Nichts dergleichen geschah. Agustín hatte ein Blatt zur Hand genommen, welches Francisco, als er Skizzen zu den Königsbildern aus der Schublade holte, achtlos darunter gemischt hatte; es war jene Zeichnung »El Yantar«, das Mittagsgespenst. Da stand nun Agustín und schaute und starrte.
    Goya aber, und gegen seine Gewohnheit beinahe verlegen, sagte: »Das ist nichts. Das ist so hingeschmiert. Eine Laune. Ein Capricho.«
    Von da an sprach Agustín nicht mehr über Franciscos neueWeiberaffäre und über die Vernachlässigung seiner Kunst. Vielmehr wählte er, selbst wenn es nur um das Technische ihrer Arbeit ging, seine Worte zart und vorsichtig. Francisco wußte nicht, ob es ihm lieb war oder unlieb, daß Agustín so tief in seine Verstrickung hineinschaute.
    Die Königin María Luisa paradierte vor Goya auf dem Hengste Marcial, als Inhaberin des Regimentes Garde du Corps. Auf Männerart saß sie zu Pferde, sie war eine gute Reiterin, hoch und kühn hob sich der Kopf über der kriegerischen Uniform.
    Es hätte genügt, wenn sie bei weiteren Sitzungen auf dem Holzbock posiert hätte. Goya aber bereitete es scharfe Lust, sie ein zweites und drittes Mal ihre Reitkunst vorführen zu lassen, und zwar in Gegenwart Agustíns. Er kommandierte der Königin, das Pferd so zu drehen und anders, den Kopf auf diese Art zu halten und auf jene. Und er schob Agustín in den Vorgrund, betonte dessen Anteil an dem zu schaffenden Werk, fragte: »Was meinst du, Agustín, sollen wir es so lassen? Oder findest du es besser so?«
    Als zum ersten Mal er einen
    Großen Herrn gemalt, vor vielen
    Jahren, hatte er sich selber
    In den Hintergrund gepinselt,
    Winzig, schattenhaft, dem Granden
    Das bestellte Werk hinhaltend.
    Heute, wenn er seinem Freunde,
    Seinem Schüler und Gehilfen,
    Ein Vergnügen machen wollte,
    Ließ er ihm die Königin von
    Spanien ihre Kunst vorreiten,
    Ehe er geruhte, sie zu
    Malen. Schade, daß sein Vater,
    Daß der alte Goya das nicht
    Mehr erlebte. Oh, wie hätte
    Der die Augen aufgerissen.
18
    Er ging den Korridor entlang, der von den Gemächern Doña María Luisas zu seinem Zimmer führte. Er kam von der Königin, ein rotbestrumpfter Lakai trug sein Malgerät. Ihm entgegen kam klein, zierlich, festen Schrittes die Alba, begleitet von Doña Eufemia.
    Die Knie zitterten ihm, der Boden unter ihm wankte. Sie hielt an. »Gut, daß ich Sie treffe, Don Francisco«, sagte sie. Und in langsamem, deutlichem Französisch fuhr sie fort: »Ich halte es hier im Escorial nicht mehr aus, ich gehe auf ein oder zwei Tage nach Madrid. Ich fahre Mittwoch. Werden Sie auch dort sein?«
    Ein ungeheurer, glückhafter Schreck packte Goya. Da war sie, die Erfüllung. Versprochen für die genaue Zeit, für Mittwoch, für Mittwoch nacht. Sofort aber, im gleichen Moment, sagte ihm sein bäuerlich rechenhafter Verstand, daß gerade diese Zeit ihm nicht gehörte. Die Königin erwartete ihn zur Sitzung, Donnerstag, am frühen Morgen. Wenn er nicht kam, brach seine Zukunft zusammen. Niemals mehr wird er ein Mitglied des Hofes malen dürfen, niemals Erster Maler des

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