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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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wenigstens so, als ob ihr jenen kümmerlichen Gerechtigkeitssinn besäßet, mit welchem die Natur auch die niedrigsten Wesen ausgestattet hat, die Menschenangesicht tragen. Soviel ist gewiß: eure Wirksamkeit wird zukünftigen Geschichtsschreibern als Beweis dienen dafür, daß das Europa unserer Epoche von Wilden und Barbaren bewohnt war.«
    In Spanien selber gingen während der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts Schriftwerke um, die der Inquisitiondie Hauptschuld zuschoben am Niedergang des Landes, an seiner Entvölkerung, Entgeistung, Entmachtung. Auch die Herrscher jener Zeit, Bourbonen französischen Ursprungs, erkannten, daß das Land zugrunde gehen müsse ohne gewisse moderne, »ketzerische« Reformen. Sie beließen also, fromm und voll Ehrfurcht vor der Tradition, dem Heiligen Offizium dem Buchstaben nach alle Autorität, entkleideten es aber seiner wichtigsten Funktionen und Privilegien.
    Ungeschmälert indes erhielt sich der Einfluß der Inquisition im Volk, und das Dunkel und Geheimnis, welches ihre Macht umgab, stärkte nur ihre Anziehung. Der Tag, an dem das Glaubensedikt verkündet wurde, war großartig und verlockend gerade durch die finstern Drohungen des Erlasses. Noch mehr waren es mit ihrer Mischung von Grauen, Grausamkeit, Geilheit die Autodafés.
    Überall im Dunkeln spähte
    Die Inquisition, und über
    Jedem hing sie, ein Verhängnis.
    Heucheln mußte man, man durfte,
    Was man spürte, was man auf dem
    Herzen hatte, nur Vertrauten
    Sagen, und nur flüsternd. Aber
    Diese ew’ge Drohung gab dem
    Leben Reiz, die Spanier wollten
    Ihre Inquisition nicht
    Missen. Denn sie gab dem Volke
    Seinen Gott, der freilich aller
    Völker Gott war, doch besonders
    Der der Spanier. Und die Spanier
    Hielten starr und zäh zu ihrer
    Inquisition, so wie sie
    Starr und steif zu ihrem König
    Hielten.

2
    Die Friedensverhandlungen, welche der Hof von Madrid in Basel mit der Französischen Republik führte, zogen sich hin. Die Spanier, wiewohl im geheimen entschlossen, auf die Auslieferung der königlichen Kinder Frankreichs zu verzichten, hielten sich aus Gründen der Ehre für verpflichtet, gerade diese Bedingung bis zum letzten Augenblick zu verteidigen. In Paris indes dachte man nicht daran, durch Auslieferung des Erben der Capets ein Zentrum des royalistischen Widerstandes zu schaffen, sondern blieb bei einem frostigen Nein. Trotzdem und gegen alle Vernunft hoffte Frankreichs royalistischer Botschafter in Madrid, Monsieur de Havré, das heftige Drängen der Spanier werde am Ende den Sieg davontragen. In seinen Träumen sah er bereits den kleinen König gerettet in Madrid und sich selber als dessen Lehrer und Vormund, als den heimlichen Regenten des großen, holden, geliebten Frankreich.
    Da traf eine furchtbare Nachricht ein: der königliche Knabe Louis der Siebzehnte war gestorben. Monsieur de Havré bezweifelte diesen Tod. Wahrscheinlich hatten Royalisten den Knaben entführt und hielten ihn verborgen. Aber Doña María Luisa und Don Manuel waren sehr bereit, den Tod des kleinen Louis als Tatsache hinzunehmen, ja, im stillen begrüßte der Hof von Madrid die schlimme Nachricht mit Aufatmen. Jetzt war man, ohne der Ehre was zu vergeben, des lästigen Streitpunkts ledig.
    Trotzdem kamen die Friedensverhandlungen nicht weiter. Die Republik, pochend auf die Erfolge ihrer Armeen, forderte die Abtretung der Provinz Guipúzcoa mit der Hauptstadt San Sebastián und eine Kriegsentschädigung von vierhundert Millionen. »Ich rechne damit«, erklärte Doña María Luisa ihrem Ersten Minister, »daß der Friede uns ein etwas breiteres Leben erlauben wird«, und Don Manuel sah ein, daß er die vierhundert Millionen nicht zahlen durfte. Pepa ihresteils sagte: »Ich hoffe, Don Manuel, Sie werden aus demKrieg ein größeres Spanien erstehen lassen«, und Manuel erkannte, daß er die baskische Provinz nicht preisgeben konnte. »Ich bin Spanier«, erklärte er groß und düster seinem Don Miguel. »Ich werde weder San Sebastián abtreten noch diesen ungeheuerlichen Tribut zahlen.«
    Allein der listenreiche Miguel hatte bereits, ohne seinen Herrn zu kompromittieren, Fühler nach Paris ausgestreckt und war bald in der Lage, interessante Mitteilungen zu überbringen: das Pariser Direktorium strebte über den Frieden hinaus eine Allianz mit Spanien an; sicherte man eine solche Allianz zu, dann war die Republik bereit, die Friedensbedingungen erheblich zu mildern. »Soviel ich höre«, schloß Don Miguel vorsichtig,

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