Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
glücklich.
Und er sagte zu dem Herzog von Alba: »Es freut mich, José, daß du heute so frisch aussiehst.« Unbewegt blieb das stille, volle Gesicht des schmächtigen, eleganten Herrn, unbewegt seine schönen, dunkeln, nachdenklichen Augen, und freundlich sagte er: »Ich danke Ihnen für Ihr Interesse, Excelentísimo Señor.« Ja, Excelentísimo Señor sagte er und erwiderte nicht sein Du.
Und Manuel sagte zu Don Luis María de Borbón, Conte de Chinchón, Erzbischof von Sevilla: »Ich habe dich lange nicht mehr gesehen, Luis.« Der sehr junge und sehr ernste Herr schaute ihn an, als wäre er Luft, und ging weiter. Dabei war dieser Don Luis María de Borbón nur ein halber Bourbon: zwar war er der Sohn eines Infanten von Kastilien und ein geborener Vetter des Königs, aber seine Mutter war eine einfache Doña María Teresa de Vallabriga gewesen, von kleinem, aragonesischem Adel, und der König hatte Don Luis María den Titel »Infante« nicht zugestanden. Wiewohl alsoDon Luis María aus königlichem Blute war, hatte eigentlich heute er, Don Manuel, den höheren Titel und Anspruch. Er war gewiß nicht eitel, aber er wird dem Bastard, er wird diesem halben Bourbon seine Arroganz nicht vergessen.
María Luisa, um die Unbill gutzumachen, die man ihrem Liebling angetan hatte, ersann ihm neue Ehrungen. Der Hofastrolog stellte umständliche Berechnungen an, die ergaben, daß das Haus der Godoy dem kurfürstlichen Hause von Bayern und dem königlichen der Stuarts verwandt war. Der Genealog des Königs erklärte an Hand langer Tabellen, daß Don Manuel Godoy von den alten Gotenkönigen abstammte. Schon sein Name erwies es; denn der Name Godoy war zurückzuführen auf die Worte »Godo soy, ich bin Gote.«
Des ferneren verfügte Carlos, es solle dem Príncipe de la Paz, wenn er sich in offizieller Funktion zeige, von einem Herold ein Januskopf vorangetragen werden zum Zeichen dessen, daß er Vergangenheit und Zukunft richtig ausgedeutet habe.
Es war bei der Eröffnung der Akademie der Wissenschaften, daß Don Manuel diese neue Auszeichnung zum ersten Mal zur Schau stellte.
Aber nicht auf gradem Wege
Fuhr er, sondern sein vierspänn’ger
Wagen machte einen Umweg,
Derart daß von seinen Freunden
Pepa Tudó als die erste
Ihn in seinem neuen, doppel-
Köpf’gen Glanze sah. Im Fenster
Stand sie, und er grüßte ehrer-
Bietig tief. Sie aber war voll
Stolz, daß sie zu einem Manne
Ihn gemacht, gleich denen ihrer
Lieder und Romanzen, zu dem
Retter Spaniens und zum Ersten
Mann des Reiches. Und in diesem
Seinem Glanze, so beschloß sie,
Müsse Don Francisco ihn ihr
Malen.
3
Gespornt von seinen aufklärerischen Freunden und Ratgebern, nutzte Don Manuel seine überraschende Popularität, um fortschrittliche Maßnahmen zu verfügen. Er hatte von jeher darauf Gewicht gelegt, als Protektor der Künste und Wissenschaften zu gelten; überdies zeigte er durch eine solche liberale Politik den Machthabern in Paris seinen guten Willen, die versprochene Allianz vorzubereiten.
Aber seine Verfügungen blieben ohne Wirkung, da die Kirche sie mit ihrem ganzen Einfluß bekämpfte. Seine Freunde rieten ihm, er solle die Gerichtsbarkeit des Heiligen Offiziums weiter einschränken und einen viel größeren Teil der Einkünfte der Inquisition für den Staat in Anspruch nehmen; ja, er könne, nun er der Liebe und Bewunderung des Volkes gewiß sei, die Steuerfreiheit der Kirche aufheben und so, einen alten Traum verwirklichend, gleichzeitig die Staatsfinanzen sanieren und den Widerstand der Kirche gegen die Modernisierung des Landes für immer brechen.
Solch offener Krieg aber widersprach dem Wesen Don Manuels. Und Pepa tat ihr Bestes, ihn vor entschiedenen Maßnahmen zurückzuhalten. Sie hatte als Kind ein Autodafé miterlebt, und die wilde, finstere Feierlichkeit, die Fahnen und Priester, die Armensünder und die Flammen, in denen sie brannten, waren eine ihrer tiefsten Erinnerungen. Ihr Beichtvater blieb bemüht, ihren Geist zu beschäftigen mit der dunkeln Mystik des Heiligen Tribunals. Herren von der Inquisition gingen bei ihr ein und aus; sogar der Erzbischof Despuig von Granada, der dem Großinquisitor nahestand, hatte sie während seines letzten Aufenthalts in Madrid empfangen.
In den sechziger und siebziger Jahren hatte sich der Einflußder Inquisition verringert. Doch war sie, als jenseits der Pyrenäen Aufruhr und Gottlosigkeit überhandnahmen, von neuem erstarkt. Der liberale Großinquisitor Sierra war gestürzt und
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