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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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auf dem Stühlchen hätte hocken können. Wenn ihn Lorenzana vorläufig nicht anzufassen gewagt hatte, dann nur, weil er ein Vertrauter und der offizielle Bibliothekar Don Manuels war. Sicher aber stand er auf der Liste derjenigen, die ausgesucht waren, das Schicksal des Mannes da unten zu teilen, und nach diesem Autodafé mußte er jeden Tag erwarten, verhaftet zu werden. Er hätte sich längst davonmachen, hätte längst die Pyrenäen zwischen sich und die Inquisition bringen sollen. Die Ursache, daß er’s nicht tat, hatte einen Namen: Doña Lucía. Er konnte Spanien nicht verlassen, ehe er ihre politische Erziehung vollendet hatte, er konnte ihren Anblick nicht entbehren.
    Don Manuel saß in der ersten Reihe der Würdenträger. Es drängte ihn, aufzustehen und die Kirche hallenden Schrittes zuverlassen. Seine Freunde hatten recht: er hätte dieses schmachvolle Schauspiel nicht zulassen dürfen. Aber er hatte die Frechheit Lorenzanas unterschätzt, und als der das Autodafé einmal angekündigt hatte, war es zu spät gewesen. Ein angekündigtes Autodafé zu verbieten, ein solcher Frevel hätte einen Aufruhr hervorgerufen, der zu seinem sichern Sturz geführt hätte. Aber es blieb ein Skandal, daß dieser Lorenzana, der ihm gegenüber im ganzen Staat seiner göttlichen Richterwürde thronte, auf solche Art herumtreten durfte auf einem Manne wie Olavide, dessen kleine Zehe wertvoller war als sein geschwollener Kopf. Andernteils hatte natürlich Pepa recht, und der da drüben thronte in dickem Triumph, war nicht der Señor Francisco Lorenzana, es war Rom und der Altar, es war die Kirche selber. Von dem Augenblick an, da er zu Recht die Robe des Großinquisitors trug, war sogar ein so verwerflicher Mensch wie Lorenzana die Verkörperung der göttlichen Gerechtigkeit, und es war nicht geheuer, gegen ihn vorzugehen. Trotzdem, gelobte sich Don Manuel, sollten sich seine Freunde nicht in ihm getäuscht haben. Über dieses klägliche Schauspiel hinauszugehen, wird er dem Lorenzana nicht erlauben; er wird nicht dulden, daß er den Olavide weiter, daß er ihn zu Tode hetzt.
    Francisco Goya schaute mit brünstiger Teilnahme auf den Armensünder. Was dem da unten geschah, konnte uns allen geschehen. Es waren die bösen Geister, die überall lauernden, die diesem unseligen Pablo Olavide das Schandhemd und den Ketzerhut aufgezwungen hatten und die ihn verhöhnten in Gestalt des Großinquisitors und seiner Gesellen. »Trágalo, perro – Schluck’s, du Hund.« Und Goya saß und schaute und nahm wahr jedes winzige Detail dessen, was da in der Kirche San Domingo El Real vorging. Gleichzeitig aber erlebte er neu Begebenheiten seiner frühen Jugend. Damals, in seinem heimatlichen Saragossa, hatte er ein Autodafé mit angesehen, noch feierlicher, schauriger und grotesker. Das war gewesen in und vor der Kathedrale der Virgen del Pilar, und dann hatte man die Ketzer verbrannt vor der Puerta del Portillo. Beinahe deutlicher jetzt als damals sah Goya jene Richter und Sünderund Zeugen von Saragossa, er roch den Gestank der Verbrannten, die Ketzer von damals und die Armensünder von heute wurden ihm eines .
    Kniend jetzt, im Angesicht des schwarzverhängten Kreuzes, die Hand auf der aufgeschlagenen Bibel, schwor Olavide ab. Der Priester sprach ihm vor, und er wiederholte, er sage ab jeglicher Ketzerei, und im besondern Ketzereien solcher Art, wie er selber sie durch Meinung, Wort und Tat verübt habe. Der Priester sprach ihm vor, und er wiederholte, er schwöre bei Gott und der Heiligen Jungfrau, in Demut und Geduld jegliche auferlegte Buße anzunehmen und sich ihr nach Kräften zu unterziehen. Sollte er versagen oder einen ferneren Verstoß begehen, so werde er sich selber als einen unbußfertigen und rückfälligen Ketzer anschauen, der ohne weiteren Prozeß der Strenge kanonischen Rechtes und dem Scheiterhaufen verfallen sei.
    Sehr gedämpft kam durch das offne
    Tor der Kirche das Gesumm der
    Ungeheuern Menge draußen.
    In der Kirche selber, in der
    Menschenüberfüllten, aber
    War es still, so still, daß jeder-
    Mann zusammenfuhr, als eine
    Hellebarde leise auf den
    Boden stieß. Doch trotz der Stille
    Waren nur die Worte hörbar,
    Die der Priester vorsprach; von ihm
    Selber, Olavide, hörte
    Man nicht einen Laut, man sah nur,
    Wie in dem erloschnen, grauen
    Antlitz mühsam sich die Lippen
    Öffneten und schlossen.
    Damit
    War der heil’ge Akt beendet.
    Hell und deutlich scholl von außen
    Jetzt Kommandoruf und Taktschritt
    Von

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