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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Soldaten. Und in gleicher
    Ordnung, wie sie eingezogen,
    Zog die Prozession der Richter
    Und der Armensünder aus der
    Kirche San Domingo.

9
    Es drängte Goya mitzuteilen, was er in der Kirche San Domingo erlebt hatte. Agustín fragte ihn nicht darum, doch sichtlich wartete er, daß Francisco erzähle.
    Der schwieg. Er fand die Worte nicht. Was er erlebt hatte, war zu verwickelt. Er hatte mehr gesehen als den Jammer des Olavide und den brutalen Fanatismus seiner Richter. Er hatte die Dämonen gesehen, die um die Richter, Ketzer, Gäste flogen, krochen, kauerten, jene bösen Geister, die immer um einen waren, und er hatte ihre fratzenhafte Freude gesehen. Ja, er selber – und das würde der brave Teetrinker Agustín niemals begreifen –, er selber, bei allem Mitleid, Haß und Ekel, den ihm das grausig groteske Schauspiel erregte, er selber hatte sich der Freude der Dämonen mitgefreut. Mehr als das: es war in ihm die kindisch gierige, angstvolle Freude wieder wach geworden, die er als Knabe gespürt hatte, damals, beim Anblick der verurteilten und brennenden Ketzer. Diesen Wirrwarr aber, diese verfilzten alten und neuen Gesichte und Gefühle konnte man nicht in Worten aussagen.
    Malen konnte man sie.
    Er malte. Schob alles andere von sich fort und malte. Sagte die Sitzungen ab, die ihm der Príncipe de la Paz gewährt hatte. Enthielt sich Cayetanas. Ließ niemand ins Atelier. Bat selbst Agustín, keinen Blick auf seine Malerei zu werfen; wenn er fertig sei, werde Agustín als erster sie zu sehen bekommen.
    Er zog seine kostbarsten Kleider an zur Arbeit, manchmal auch, trotz der Unbequemlichkeit, seine Majo-Tracht.
    Er malte schnell, doch mit Anspannung. Er malte auch des Nachts; er trug dann einen niedrigen, zylinderförmigen Hut mit einer Art Metallschild, auf dem er Kerzen befestigt hatte, die ihm das jeweils rechte Licht gaben.
    Er spürte, es war ihm in der kurzen Zeit, seitdem er die »Wallfahrt zum Heiligen Isidro« gemacht hatte, neue Sicht und Farbe zugewachsen. Er war freudig erregt. Mit triumphierender Bescheidenheit schrieb er seinem Herzensmartín, er male jetzt an einigen kleinen Bildern, nur sich selber zur Lust, und da folge er, ganz anders als man es bei bestellten Bildern könne, dem eigenen Herzen, der eigenen Beobachtung und Laune, er lasse seiner Phantasie die Zügel und male die Welt, wie er sie sehe. »Es wird ganz großartig«, schrieb er, »und ich werde die Bilder ausstellen, erst hier für die Freunde, dann in der Akademie, und ich wünschte nur, Martín meiner Seele, du kämest bald sie anzuschauen.« Er machte ein großes Kreuz auf den Brief, damit nicht zu schlechter Letzt die bösen Geister dazwischenkämen, ihm alles vereitelnd wegen seiner vermessenen Zuversicht.
    Und es kam der Tag, da sagte er zu Agustín mit fast grimmiger Befriedigung: »So, fertig. Jetzt kannst du sie anschauen, und wenn du willst, kannst du auch was dazu äußern.«
    Da waren die Bilder.
    Eines stellte einen ärmlichen, ländlichen Stierkampf dar. Da war der Stierzirkus mit Kämpfern, Pferden, Zuschauern und ein paar gleichgültigen Häusern dahinter. Der Stier selber war gehetzt und blutend, ein feiger, schlechter Stier, der sich an die Palisade drückte, Wasser ließ und nicht mehr kämpfen wollte, sondern nur mehr sterben. Und die Beschauer waren empört über die Feigheit des Stieres, der ihnen nicht das Schauspiel bot, auf das sie Anspruch hatten, der nicht wieder auf den Kampfplatz und in die Sonne wollte, sondern niederträchtigerweise im Schatten stehenbleiben und verenden. Der Stier nahm nicht viel Raum ein, es war nicht der Stier, den Francisco hatte malen wollen, sondern sein Schicksal, und dazu gehörten die andern, die Kämpfer,Zuschauer und Pferde, genauso wie der Stier. Es war ein figurenreiches Bild, doch war da nichts Überflüssiges.
    Das zweite Bild zeigte einen Haufen von Irrsinnigen in ihrer Behausung. Es ist ein großer, kellerartiger Raum, nichts als Stein mit bogenförmigen Wölbungen; durch die Bögen und das vergitterte Fenster fällt das Licht. Hier also sind die Irrsinnigen zusammengesperrt, ihrer viele, ein jeder hoffnungslos allein. Und ein jeder treibt seinen Un-Sinn. In der Mitte ist ein junger, kräftiger, nackter Mensch, er predigt mit wilden Gesten auf einen nicht vorhandenen Gegner ein, dringlich und drohend. Andere Halbnackte sind da, geschmückt mit Kronen, Stierhörnern, bunten Federn, wie Indianer sie auf dem Kopfe tragen. Sie hocken, stehen, liegen zusammengeknäuelt in

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