Grab im Wald
erst mal den richtigen Dreh raus hat, tja, dann macht es schon irgendwie Spaß.«
Sie ließ die Hände sinken.
»Finden Sie das komisch?«
»Wie wäre es, wenn Sie sich setzen, Miss Perez?«
»Haben Sie meine Eltern bedroht?«
»Nein. Ach, Moment, doch. Ihren Vater. Ich habe gesagt, wenn er mir nicht die Wahrheit sagt, mache ich ihm sein Leben zur Hölle und werde Ermittlungen gegen ihn und seine Kinder aufnehmen. Wenn Sie das eine Drohung nennen, ja, dann habe ich ihn bedroht.«
Ich lächelte sie an. Sie hatte mit Dementi, Entschuldigungen und Rechtfertigungen gerechnet. Die hatte ich nicht geliefert, also auch kein Öl ins Feuer gegossen. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und setzte sich hin.
»Also«, sagte ich. »Sparen wir uns das Vorgeplänkel. Ihr Bruder hat diesen Wald vor zwanzig Jahren aus eigener Kraft verlassen. Ich muss wissen, was damals passiert ist.«
Glenda Perez trug ein graues Businesskostüm. Ihre Strümpfe waren strahlend weiß. Sie schlug die Beine übereinander und versuchte, entspannt auszusehen. Es gelang ihr nicht. Ich wartete.
»Das stimmt nicht. Mein Bruder ist gemeinsam mit Ihrer Schwester ermordet worden.«
»Ich dachte, wir wollten uns das Vorgeplänkel sparen?«
Sie richtete sich auf und klopfte sich mit dem Zeigefinger auf die Lippen.
»Haben Sie wirklich Ermittlungen gegen meine Familie aufgenommen?«
»Wir sprechen hier über die Ermordung meiner Schwester, Miss Perez. Gerade Sie sollten das eigentlich verstehen.«
»Das heißt dann wohl ja.«
»Es ist ein sehr deutliches und sehr gehässiges Ja.«
Sie klopfte sich weiter auf die Lippen. Ich wartete noch ein bisschen.
»Wie wäre es, wenn wir anfangen, ein bisschen zu spekulieren?«
Ich breitete die Hände aus. »Für Spekulationen bin ich immer zu haben.«
»Nehmen wir mal an«, fing Glenda Perez an, »dieser Mann, dieser Manolo Santiago, wäre tatsächlich mein Bruder gewesen. Beachten Sie bitte, dass das jetzt reine Spekulation ist.«
»Okay, ich nehme es an. Und jetzt?«
»Was denken Sie, was das für meine Familie bedeuten würde?«
»Dass sie mich belogen haben.«
»Aber nicht nur Sie.«
Ich lehnte mich zurück. »Wen noch?«
»Alle.«
Das Lippenklopfen ging wieder los.
»Wie Sie wissen, haben all unsere Familien einen Prozess angestrengt. Wir haben Schadenersatz in Höhe von mehreren Millionen Dollar erhalten. Das wäre dann ja wohl Betrug. Wenn unsere Spekulation zutreffen sollte.«
Ich sagte nichts.
»Mit dem Geld hat die Familie ein Geschäft gekauft, meine Ausbildung bezahlt und viel in die Gesundheit und Pflege meines Bruders gesteckt. Wenn wir dieses Geld nicht gehabt hätten, würde Tomás in einem Heim leben, sofern er überhaupt noch am Leben wäre. Verstehen Sie, was ich sagen will?«
»Ja.«
»Und wenn Gil jetzt, rein spekulativ, damals noch am Leben gewesen wäre und wir das gewusst hätten, dann hätten wir einen Schadenersatzprozess aufgrund von falschen Angaben geführt. Wir müssten das Geld zurückzahlen, dazu könnten noch Geld- oder womöglich sogar Gefängnisstrafen kommen. Außerdem haben die Strafverfolgungsbehörden damals wegen vierfachen Mordes ermittelt. Der Prozess basierte auf der Annahme,
dass alle vier Teenager im Wald gestorben sind. Wenn Gil aber überlebt hätte, könnte man uns außerdem der Behinderung eines laufenden Verfahrens beschuldigen. Verstehen Sie, was ich meine?«
Wir sahen uns an. Jetzt war sie mit Warten an der Reihe.
»Es gibt da noch ein weiteres Problem mit Ihrer Spekulation«, sagte ich.
»Und das wäre?«
»Vier Personen gehen in den Wald. Eine kommt lebend wieder heraus. Diese Person verheimlicht die Tatsache, dass sie noch am Leben ist. Aufgrund Ihrer Spekulation könnte man dann annehmen, dass diese Person die anderen drei ermordet hat.«
Lippenklopfen. »Ich kann durchaus nachvollziehen, dass Sie auch diese Möglichkeit in Erwägung ziehen.«
»Aber?«
»Das hat er nicht.«
»Und das soll ich Ihnen einfach glauben?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Selbstverständlich.«
»Wenn mein Bruder sie umgebracht hätte, wäre damit doch alles vorbei, oder? Er ist tot. Sie können ihn nicht zurückbringen und juristisch belangen.«
»Da haben Sie Recht.«
»Danke.«
»Hat Ihr Bruder meine Schwester umgebracht?«
»Nein, das hat er nicht.«
»Wer war es dann?«
Glenda Perez stand auf. »Ich habe lange nichts davon gewusst. Innerhalb unserer Spekulation wusste ich nicht, dass mein Bruder am Leben war.«
»Und Ihre
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