Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
ein Problem. Wachmänner älteren Jahrgangs waren oft wohlmeinende Pensionäre, denen der Ruhestand zu langweilig geworden war. Frauen im Wachdienst
waren häufig Mütter, die sich ein bisschen was dazuverdienten. Aber Männer in den besten Jahren? In sieben von zehn Fällen gehörten sie zu einer der gefährlichsten Arten von Schwachköpfen  – den Möchtegern-Bullen. Sie hatten es aus irgendeinem Grund nicht geschafft, in den Polizeidienst aufgenommen zu werden. Ohne ihren Berufsstand herabsetzen zu wollen, aber wenn jemand Polizist werden wollte und das nicht schaffte, gab es dafür normalerweise einen Grund, und diesen Grund wollte man lieber nicht kennen.
    Und wie konnte man sich besser dafür rächen, dass man sein sinnloses Dasein als Wachmann fristen musste, als eine Chefermittlerin  – auch noch eine Frau  – einfach warten zu lassen?
    »Entschuldigen Sie?«, probierte sie es mit freundlicherer Stimme.
    »Sie können da noch nicht rein«, sagte er.
    »Warum nicht?«
    »Sie müssen warten.«
    »Worauf?«
    »Sheriff Lowell.«
    »Sheriff Lobo?«
    »Lowell. Und er hat gesagt, dass ohne seine Erlaubnis keiner reindarf.«
    Der Wachmann zog sich doch wirklich die Hose hoch.
    »Ich bin die Chefermittlerin von Essex County«, sagte Muse.
    Er grinste sie höhnisch an. »Sieht das hier etwa aus wie Essex County?«
    »Das sind meine Leute da drin. Ich muss zu ihnen.«
    »Hey, machen Sie sich nicht gleich ins Höschen.«
    »Der war gut.«
    »Was?«
    »Dieser Spruch mit dem Höschen. Den haben Sie jetzt schon zum zweiten Mal gebracht. Er ist extrem komisch. Darf ich den
auch mal benutzen, na ja, Sie wissen schon, wenn ich jemanden mal so richtig runterputzen will? Ich sag dann auch dazu, dass ich den von Ihnen habe.«
    Er griff nach der Zeitung und ignorierte sie. Sie überlegte, ob sie einfach durchfahren und die Schranke zerstören sollte.
    »Tragen Sie eine Waffe?«, fragte Muse.
    Der Wachmann legte die Zeitung weg. »Was?«
    »Eine Pistole. Haben Sie eine? Sie wissen schon, zur Kompensation anderer Unzulänglichkeiten.«
    »Halten Sie den Mund.«
    »Ich hab eine, wissen Sie? Ich mach Ihnen einen Vorschlag. Wenn Sie die Schranke aufmachen, dürfen Sie sie mal anfassen.«
    Er sagte nichts. Scheiß auf anfassen. Vielleicht sollte sie einfach auf ihn schießen.
    Der Wachmann starrte sie an. Sie kratzte sich mit der freien Hand die Wange, hob dabei den kleinen Finger und deutete damit auf ihn. Wenn sie seinen Blick richtig deutete, hatte sie wohl ziemlich gut getroffen.
    »Wollen Sie mich verarschen?«
    »Hey«, sagte Muse und legte die Hände wieder ans Lenkrad, »machen Sie sich nicht gleich ins Höschen.«
    Muse wusste, dass das dumm von ihr war, doch das war ihr egal, wenigstens machte es Spaß. Jetzt kam auch noch der Adrenalinschub dazu. Außerdem wollte sie unbedingt wissen, was Andrew Barrett gefunden hatte. Der Anzahl der Blaulichter nach musste es etwas Großes sein.
    Zum Beispiel eine Leiche.
    Zwei Minuten vergingen. Muse wollte gerade die Pistole ziehen und den Wachmann zwingen, die Schranke zu öffnen, als sie sah, wie ein Mann in Uniform auf ihren Wagen zuschlenderte. Er trug einen breitkrempigen Hut und einen Sheriffstern. Auf dem Namensschild stand Lowell.

    »Kann ich Ihnen helfen, Miss?«
    »Miss? Hat er Ihnen gesagt, wer ich bin?«
    »Äh, nein, tut mir leid, er hat bloß gesagt, dass …«
    »Ich bin Loren Muse, Chefermittlerin von Essex County.« Muse deutete auf das Wärterhaus. »Minipimmel da drin hat meinen Ausweis.«
    »Hey, wie haben Sie mich genannt?«
    Sheriff Lowell seufzte und wischte sich mit einem Papiertaschentuch die Nase ab. Seine Nase war knollig und ziemlich lang. Wie fast alles an ihm – lang und schlaff, als ob jemand eine Karikatur von ihm gemacht und sie dann in der Sonne hätte schmelzen lassen. Er winkte dem Wachmann mit dem Taschentuch ab.
    »Immer mit der Ruhe, Sandy.«
    »Sandy«, wiederholte Muse. Sie sah zum Wärterhäuschen. »Ist das nicht ein Mädchenname?«
    Sheriff Lowell sah an seiner riesigen Nase entlang auf sie herab. Vermutlich missbilligend. Dafür hatte sie vollstes Verständnis.
    »Sandy, gib mir den Ausweis von der Lady.«
    Erst Höschen, dann Miss, jetzt Lady. Muse musste sich sehr zurückhalten, um nicht noch wütender zu werden. Sie war keine zwei Stunden von Newark und New York City entfernt, doch die Typen benahmen sich, als wäre sie fünfzig Jahre in die Vergangenheit gereist.
    Sandy gab Lowell den Ausweis. Lowell putzte sich kräftig die

Weitere Kostenlose Bücher